Kirchenbeitragsgesetz; keine Bedenken gegen § 5; denkmögliche Gesetzesanwendung
Erk. v. 17. Juni 1971, B 642/70
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Mit Bescheid vom 25. November 1969, GZ. II/4-215/20-1969, hat der Landeshauptmann von Niederösterreich folgenden Spruch erlassen:
„Im Grunde des Absatzes 2 zweiter Halbsatz des Zusatzprotokolls zu Art. XI § 1 des Konkordates vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, wird erkannt: Die Marktgemeinde Spitz an der Donau ist als Eigentümerin der Liegenschaften EZ. 511 der NÖ. Landtafel ,der Erlachhof bei Spitz und EZ. 418 Kat. Gemeinde Spitz aus dem Titel des privaten Realpatronates über die r. k. Pfarrkirche und die r. k. Pfarrpfründe Aggsbach-Markt gemäß dem NÖ. Kirchen-Baukonkurrenznormale vom 27. Juni 1805, Politische Gesetzessammlung XXIV Nr. 62, verpflichtet, an Material- und Professionistenkosten den Betrag von 281.434’65 S (zweihunderteinundachtzigtausendvierhundertdreißigvier fünfundsechzig Hundertstel Schilling) an die römisch-katholische Pfarrkirche Aggsbach-Markt bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Diese Geldleistung wird auf Grund des § 59 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172/ 1950 (im folgenden abgekürzt AVG.), folgendermaßen als fällig werdend erklärt: Jeweils 300/0 14 Tage nach jeweiliger Erteilung des Auftrages zur Durchführung der Instandsetzungsarbeiten an die einzelnen Professionisten, die jeweiligen restlichen 70% nach Maßgabe des Baufortschrittes auf Grund der betreffenden Teilrechnungen bzw. Rechnungen mit einem die rechtzeitige Bezahlung derselben gewährleistenden Termin. Im Falle der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Verpflichtung bleibt die Erlassung eines gesonderten Leistungsbescheides (Eintritt der Bedingung für die Leistungsverpflichtung) auf Antrag der r. k. Pfarrkirche Aggsbach-Markt vorbehalten. Wegen Gefahr im Verzöge wird gemäß § 64 Abs. 2 AVG. die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.”
Der dagegen von der Marktgemeinde Spitz an der Donau erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst mit Bescheid vom 16. Oktober 1970, Zl. 40.324-Ka/70, keine Folge gegeben. In der dagegen erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde behauptet die Marktgemeinde Spitz an der Donau, durch diesen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber erwogen:
1. a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß sie durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden ist. Dieses Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat (vgl. z. B. Erk. SIg. Nr. 5225/ 1966, 5411/1966, 5442/1966, 5609/1967, 5658/1968, 5799/1968, 5931/ 1969).
b) Die Beschwerdeführerin macht ausschließlich geltend, daß sie in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht deshalb verletzt worden sei, weil die im § 5 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 543/1939 (im folgenden kurz mit KBG. bezeichnet), erfolgte unterschiedliche Behandlung von öffentlichem und privatem Patronat, wenn man der Auslegung der belangten Behörde folgt, den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
§ 5 KBG. lautet:
“Im Hinblick auf die durch dieses Gesetz den in § 1 genannten Kirchen eröffneten Einnahmequellen werden die Verpflichtungen des Staates, der in staatlicher Verwaltung stehenden Fonds, der Gemeinden, der Kultusverbände (Pfarr- und Kultusgemeinden) und der öffentlichen Patrone, zur Deckung des in § 1 genannten Bedarfes beizutragen, aufgehoben. Ebenso werden für alle anderen die Verpflichtungen zur Entrichtung regelmäßig wiederkehrender Leistungen aufgehoben, soweit sie nicht auf dem privaten Patronat oder auf Privatrechtstiteln beruhen.”
Es braucht nun nicht untersucht zu werden, ob diese Gesetzesstelle den Inhalt hat, den die belangte Behörde angenommen hat, ob nämlich für die Qualifikation als öffentliches Patronat die sogenannte Titeltheorie maßgebend ist, wie die Beschwerdeführerin annimmt, oder die sogenannte Inhabertheorie, die die belangte Behörde vertritt. Denn in beiden Fällen bestehen gegen die Regelung des § 5 KBG. keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach der sogenannten Titeltheorie ist maßgebend, ob der Titel, auf den sich die gegenwärtige Rechtslage gründet, im Zeitpunkt seiner Entstehung ein öffentlich-rechtlicher oder ein privatrechtlicher war; diese Auffassung vertrat der Verwaltungsgerichtshof bis 1967. Bei Annahme dieser Rechtsauffassung hat die Beschwerdeführerin selbst keine Bedenken in der Richtung geäußert, daß § 5 KBG. gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verstoße. Auch sonst sind im Verfahren Bedenken dieser Art nicht entstanden.
Nach der sogenannten Inhabertheorie ist maßgebend, ob das Patronat im Zeitpunkt des Inkrafttretens des KBG. (1. Mai 1939) einem Privaten oder einer der im § 5 KBG. genannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften zustand; diese Auffassung vertritt der Verwaltungsgerichtshof seit seinem Erkenntnis Slg. Nr. 7188 A/1967. Auch bei Annahme dieser Rechtsauffassung bestehen gegen § 5 KBG. keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes. Mit § 1 KBG. wurde an Stelle des Systems der Zuschüsse der öffentlichen Hand an die Kirchen das System der Kirchenbeiträge der Kirchenmitglieder eingeführt; eine solche Regelung zu treffen, ist dem Gesetzgeber durch keine Bestimmung der Bundesverfassung verwehrt. Dieser Systemwechsel betrifft aber nicht die Beziehungen Privater zu den Kirchen, gleichgültig, auf welchen Rechtstitel sie sich gründen. Daher ist es dem Gesetzgeber auch nicht durch den Gleichheitsgrundsatz verwehrt, diese Rechtsbeziehung anders zu behandeln, sie also nicht auch untergehen zu lassen.
c) Da sohin die im angefochtenen Bescheid angewendeten Gesetzesbestimmungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind und ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde weder behauptet wurde, noch sonst im Verfahren hervorgekommen ist, ist die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.
2. a) Die Beschwerdeführerin behauptet ferner, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch den in ein privates Vermögensrecht eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen wurde, oder wenn er sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt und schließlich, wenn bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet worden ist (Erk. Sag. Nr. 5167/1965, 5847/ 1968 u. a.).
b) Der Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid die Pflicht zu einer Geldleistung auferlegt worden. Damit ist in ihr Privatrecht und sohin auch in ihr Eigentum im Sinne des Art. 5 StGG. eingegriffen worden.
c) Daß gegen die im Bescheid angewendeten Rechtsgrundlagen keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes bestehen, wurde bereits unter Punkt 1 dargetan. Auch sonst sind gegen sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden.
d) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht angenommen habe, es liege ein privates Patronat vor. Es habe sich vielmehr im vorliegenden Falle um ein öffentliches Patronat gehandelt, das nach § 5 KBG. erloschen sei. Es bestehe also überhaupt kein Patronat und der angefochtene Bescheid, der der Beschwerdeführerin aus dem Titel des privaten Patronats eine Geldleistung vorschreibe, entbehre damit jeder gesetzlichen Grundlage.
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der Frage, ob das in Rede stehende Patronat ein öffentliches oder ein privates ist, ausführlich auseinandergesetzt. Sie hat ausgeführt, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 7188 A/1967 von seiner bisherigen Judikatur abgegangen ist, die die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Patronat nach dem jeweiligen Entstehungstitel traf. Nunmehr stelle er auf die Eigenschaft des Patrons im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kirchenbeitragsgesetzes (1. Mai 1939) ab. Dieser Ansicht schließe sich die belangte Behörde an, woraus sich ergebe, daß das in Rede stehende Patronat ein privates sei.
Diese Begründung, die eine Rechtsauffassung übernimmt, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 7188 A/1967 auf Grund des Beschlusses eines verstärkten Senates vertreten hat, ist durchaus denkmöglich. Ob sie auch richtig ist, war vom Verfassungsgerichtshof nicht zu untersuchen.
Im übrigen ist unbestritten, daß die mit dem Realpatronat belasteten Liegenschaften am 1. Mai 1939 im Eigentum eines Privaten standen.
Die Beschwerdeführerin ist daher in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht deshalb verletzt worden, weil die belangte Behörde das Vorliegen eines privaten Patronats annahm.
e) Die Beschwerdeführerin behauptet schließlich, in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auch dadurch verletzt worden zu sein, daß der Bescheid die ihr vorgeschriebene Geldleistung nicht auf die Realhaftung beschränkte.
Auch mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich auseinandergesetzt. Sie hat ausgeführt: „Gemäß Zusatzprotokoll zu Art. XIV letzter Absatz des Konkordats 1933 bleiben die im Gebiet der Republik Osterreich in betreff der Herstellung und Erhaltung der Kirchen- und Pfründengebäude sowie in betreff der finanziellen Bestreitung der sonstigen Kirchenerfordernisse bestehenden Normen aufrecht. Für das Bundesland Niederösterreich handelt es sich hier insbesondere um das Circulare der k. auch k. kgl. Landesregierung im Erzherzogtum Osterreich unter der Enns vom 27. Juni 1805, Politische Gesetzessammlung, Band XXIV, Nr. 62, S. 137, betreffend Maßregeln für die Bestreitung der Kosten bei Kirchen- und Pfarrbaulichkeiten. Dieses auf Grund des Hofkanzleidekretes vom 22. Mai 1805, Z. 9742, erflossene Circulare sieht in seinem Punkt 7 vor, daß alle übrigen Kosten der Herstellung oder größeren Reparation des Pfarr-Gebäudes, zu deren Bestreitung das entbehrliche Kirchen-Vermögen nicht hinreicht, vom Patron der Pfarre, nach der Natur des Patronates und nach den ältesten Verordnungen, aus Eigenem zu tragen sind. Ähnliches gilt gemäß Ziffer 1 dieses Circulares auch hinsichtlich der Pfarrkirche. Hofdekret und Circulare beschränken also die Leistungspflicht des Patrons nicht mit Leistungen aus den patronatsverfangenen Liegenschaften; vielmehr statuiert die Haftung ,aus Eigenem’ eine persönliche Leistungspflicht des Patrons. In diesem Sinn hält etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1929, A 267/28 [Slg. Nr. 15781 (A)], ausdrücklich in Übereinstimmung mit der bisherigen Judikatur [Erkenntnis vom 30. Dezember 1924, A 426/ 23, Slg. Nr. 13715 (A)], fest, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit des Patrons nach dem zitierten niederösterreichischen Baunormale keine Bedingung oder Voraussetzung für die Verpflichtung des Patrons zur Tragung der Wiederherstellungskosten bildet. Auch die analoge Anwendung privatrechtlicher Grundsätze in Patronatssachen im Hinblick auf § 1471 ABGB. vermag an dieser Ansicht nichts zu ändern. Vielfach wird die Patronatsverpflichtung als Reallast angesehen„ wie dies etwa im gegenständlichen Falle ausdrücklich in der Einverleibung unter COZ. 1 der Landtafelliegenschaft EZ. 511 geschehen ist. Es besteht demnach für die Reallastverpflichtung nicht nur die Sachhaftung; vielmehr haftet der Eigentümer für die während der Dauer seines Eigentumsrechtes fällig werdenden Leistungen auch persönlich (siehe Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, 1/2 Sachenrecht, 2, bzw. 7. Auflage, 1957, § 263, S. 365).”
Daraus folge, daß für den Patron neben der Sachhaftung auch die persönliche Haftung besteht.
Auch diese Ausführungen sind denkmöglich. Ob sie richtig sind, war aber vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, weil es sich dabei um Fragen der Anwendung einfachgesetzlicher Bestimmungen handelt, über die zu erkennen der Verwaltungsgerichtshof berufen ist.
Die Beschwerdeführerin ist also auch nicht aus diesem Gesichtspunkt in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
3. Da im Verfahren auch sonst nicht die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorgekommen ist, war die Beschwerde abzuweisen.