Bescheidbegriff. Abspruch über einen Antrag auf Schaffung und Verleihung einer Lehrkanzel. Gleichheit vor dem Gesetz. Gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter. Glaubens- und Gewissensfreiheit. Beamtenüberleitung.
Erk. v. 26. Juni 1958, B 22/58.
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Sachverhalt:
DDr. Theophil M. habilitierte sich im Jahre 1930 für Deutsches Recht an der Wiener Universität. Nach 1938 wurde er mit der Supplierung der außerordenlichen Lehrkanzel für Deutsches Recht betraut, da der seinerzeitige Lehrkanzelinhaber aus rassischen Gründen zwangspensioniert wurde. Mit einem DDr. Theophil M. durch den Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät abschriftlich mitgeteilten Erlaß vom 2. Mai 1941 eröffnete der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung „nach Benehmen mit dem Stellvertreter des Führers”, daß er „dem Antrag der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien auf Ernennung des Dozenten Dr. M. zum außerplanmäßigen Professor nicht stattzugeben vermöge”. DDr. Theophil M. wurde in der Folge auch nicht zum beamteten Hochschullehrer ernannt. Die durch das Ausscheiden des ao. Universitätsprofessors Dr. G. freigewordene Lehrkanzel wurde nicht mehr besetzt.
Mit der Behauptung, daß seine Ernennung zum beamteten Hochschullehrer aus politischen Gründen, nämlich deshalb unterblieben sei, weil man ihn während des NS-Regimes als „Systemmann, Ehrenphilister des CV und überzeugten Katholiken für die Innehabung der Lehrkanzel untragbar befunden” habe und er dadurch in seiner Hochschullaufbahn geschädigt worden sei, stellte DDr. Theophil M. am 26. August 1949 zum erstenmal an den Bundesminister für Unterricht unter Berufung auf § 4 Abs. 5 B.-VG. den Antrag, dieser Schädigung durch Ernennung auf eine Lehrkanzel im Rehabilitierungsweg abzuhelfen. Dieses Ansuchen wurde in der Folge wiederholt.
Am 30. November 1957 stellte DDr. Theophil M. erneut an den Bundesminister für Unterricht den Antrag auf Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien und begründete dieses Ansuchen mit einem ihm zustehenden Wiedergutmachungsanspruch. Der Bundesminister für Unterricht antwortete darauf mit Bescheid vom 14. Dezember 1957. Der Wortlaut des Bescheides lautet:
„Auf Ihr neuerliches Ansuchen vom 30. November 1957 um Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien zur Erfüllung Ihres behaupteten Wiedergutmachungsanspruches wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1957, Zl. 2410/55, und auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 lit. a und b des Hochschul-Organisationsgesetzes vom 13. Juli 1955, BGBl. Nr. 154/1955, hingewiesen, wonach die Stellung von Anträgen für den Dienstpostenplan der Fakultät, bzw. die Erstattung von Vorschlägen für die Besetzung freier Dienst- posten für ordentliche und außerordentliche Universitätsprofessoren zum autonomen Wirkungsbereich des Professorenkollegiums gehört. Das Bundesministerium für Unterricht ist nicht in der Lage, Ihrem Ansuchen zu entsprechen.”
DDr. Theophil M. erhob am 31. Jänner 1958 gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht vom 14. Dezember 1957 beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B.-VG. gestützte Beschwerde wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter, auf Glaubens-und Gewissensfreiheit, sowie wegen Verletzung des Art. 6 des Staatsvertrages, BGBl. Nr. 152/1955.
Entscheidungsgründe:
1. Die angefochtene Erledigung der belangten Behörde vom 14. Dezember 1957 erschöpft sich nicht in dem Hinweis auf das dieselbe Angelegenheit betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1957, sie enthält vielmehr eine darüber hinausgehende Begründung für die Abweisung des Parteibegehrens, so daß ihr Bescheidcharakter zukommt.
2. Der Beschwerdeführer hat am 30. November 1957 um die Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien angesucht und dieses Begehren mit einem ihm nach seiner Behauptung zustehenden Wiedergutmachungsansprache begründet.
Die Abweisung dieses Antrages wird vorerst unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bekämpft. Hiezu führt der Beschwerdeführer aus, daß er in der Zeit von 1938 bis 1945 von den Machthabern des Dritten Reiches in seiner Laufbahn zurückgesetzt worden sei. Diese Umstände hat aber die Behörde offenbar nicht zu verantworten. Es kann überhaupt nur die Frage entstehen, ob die Behörde bei der Würdigung dieser Umstände als eines Sachverhaltselementes Willkür geübt hat und dem Beschwerdeführer die aufrechte Erledigung seines Ansuchens aus unsachlichen Gründen verweigert hat, die in seiner Person gelegen sind. Die Beschwerde enthält indes keine Behauptung, welche die Deutung zuließe, daß die Behörde aus diesem Motiv das Begehren abschlägig beschieden habe. Der Vorwurf, die Behörde habe gegen den Gleichheitsgrundsatz gehandelt, ist daher in keiner Weise begründet.
Der Beschwerdeführer erachtet sich auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter verletzt (Art. 3 StGG.). Eine Verletzung dieses Grundrechtes hat aber nicht stattgefunden. Sie ist nur in jenen Fällen gegeben, in denen einer Person die Bewerbung um ein öffentliches Amt verweigert wird (vgl. VerfGH. SIg. Nr. 415, 1711 und 2982). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor.
Im weiteren stützt sich die Beschwerde auf Art. 14 StGG., welcher jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet und nach welchem der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte von dem Religionsbekenntnis unabhängig ist. Aber auch in diesem Zusammenhang wird nur Klage über die Behandlung geführt, die der Beschwerdeführer in der Okkupationszeit erfahren hat. Wieso die Behörde durch ihre Erledigung die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat und wieso die Erklärung der Behörde, dem Beschwerdeführer keine Lehrkanzel zur Verfügung zu stellen, dessen bürgerliche und politische Rechte im Zusammenhang mit seinem Religionsbekenntnis geschmälert hat, hat die Beschwerde nicht einmal anzudeuten vermocht. Es erübrigt sich daher, auf diesen Beschwerdepunkt näher einzugehen.
Der Beschwerdeführer behauptet im weiteren, daß es sich bei dem von ihm geltend gemachten Wiedergutmachungsanspruch um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht handle. Dies ist ganz und gar unrichtig. Die Bestimmungen des B.-ÜG. (StGBI. Nr. 134/1945) sind einfachgesetzlicher Art; dazu gehört auch § 4 Abs. 5., demzufolge in Fällen, in denen Bedienstete österreichischer Staatsbürgerschaft in der Zeit vom 4. März 1933 bis 27. April 1945 aus politischen Gründen in ihrer Laufbahn anderweitig geschädigt worden sind, nach Möglichkeit derart abzuhelfen ist, daß die Schädigung nicht weiter fortbesteht. Demgemäß ist ihre allfällige Nichtbeachtung nicht als eine Verfassungswidrigkeit zu beurteilen.
Die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 6 Ziff. 2 Staatsvertrag (BGBl. Nr. 152/1955) vermag an diesem Ergebnis nichts zu andern. Weder enthält das B.-ÜG. Unterscheidungen, die durch diese Bestimmung des Staatsvertrages verboten werden, noch auch hat die Behörde bei der Anwendung des Gesetzes den Beschwerdeführer in dieser Weise diskriminiert.
Nach der gegebenen Gesetzeslage kommt dem einzelnen kein Recht auf Schaffung und Verleihung einer Lehrkanzel durch das Bundesministerium für Unterricht zu. Darin, daß die Behörde ein solches Ansinnen abgelehnt hat, kann daher keine Verfassungswidrigkeit gelegen sein.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
III. Da die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung bereits genügend klargestellt sind, konnte die Entscheidung gemäß § 19 Abs. 3, letzter Satz, VerfGG. 1953 in der Fassung von BGBl. Nr. 18/1958 in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.