Welche Nichtigkeitsgründe des lateinischen Kirchenrechts finden sich auch im österreichischen staatlichen Recht und in welcher Weise?
Die Entsprechungen im österreichischen Recht decken sich nicht immer voll mit dem Nichtigkeitsgrund des kanonischen Rechts (z.B. Totalsimulation und Staatsbürgerschaftsehe oder mangelnder Vernunftgebrauch und Geschäftsunfähigkeit). Eine allfällige Heilung erfolgt jeweils in unterschiedlicher Weise.
Kirche | Österreich | |
Ehemündigkeit | c. 1083 § 1 CIC Mann ab 16, Frau ab 14 Jahren Nichtigkeit dispensierbar ius divinum strittig[i] Nichtehe bei Kindern unter 7 Jahren (c. 97 § 1 CIC) |
§ 1 EheG § 2 EheG § 3 EheG |
Impotenz | c. 1084 CIC nur impotentia coeundi Nichtigkeit nicht dispensierbar ius divinum |
– |
Bestehendes Eheband | c. 1085 CIC Nichtigkeit nicht dispensierbar ius divinumIst die kirchliche Todeserklärung (1707 § 2 CIC) falsch, so ist die 2. Ehe nichtig. |
§ 24 EheG Nichtigkeit keine Heilung §§ 43f EheG – Kenntnis beider Gatten -> Nichtigkeit der 2. Ehe – Kenntnis des wiederverheirateten Gatten -> 1. Ehe aufgelöst, 2. Ehe ist gültig – keine Kenntnis des wiederverheirateten Gatten -> 1. Ehe ist aufgelöst, 2. Ehe ist aufhebbar |
Religionsverschiedenheit | c. 1086 CIC Nichtigkeit dispensierbar |
– |
Weihe | c. 1087 CIC Nichtigkeit dispensierbar |
– |
Ordensgelübde | c. 1088 CIC Nichtigkeit dispensierbar |
– |
Entführung | c. 1098 CIC Nichtigkeit |
– |
Gattenmord | c. 1090 CIC Nichtigkeit dispensierbar |
– |
Blutsverwandtschaft | c. 1091 CIC gerade Linie und bis zum 4. Grad der Seitenlinie Nichtigkeit dispensierbar[ii] ius divinum[iii] |
§ 6 EheG gerade Linie und voll- bzw. halbbürtige Geschwister Nichtigkeit keine Heilung |
Schwägerschaft | c. 1092 CIC zwischen dem einen Gatten und den Blutsverwandten in gerader Linie des anderen Gatten Nichtigkeit |
– |
Öffentliche Ehrbarkeit | c. 1093 CIC bei ungültiger Ehe oder Konkubinat zwischen dem Mann und den Verwandten 1. Grades in gerader Linie der Frau und umgekehrt Nichtigkeit |
– |
Adoption | c. 1094 CIC gesetzliche Verwandtschaft in gerader Linie und bis zum 2. Grad der Seitenlinie Nichtigkeit dispensierbar |
§ 10 EheG zwischen dem Annehmenden und dem als Kind angenommenen sowie dessen Abkömmlingen schlichtes Trauungsverbot |
[i] Dass die Nupturienten wegen des Erfordernisses der psychischen und körperlichen Reife ein gewisses Alter erreicht haben müssen, gilt als göttlichen Rechts. Wo genau diese Altersgrenze verläuft, steht jedoch nicht fest. In der klassischen Lehre wurden die Altersgrenzen des römischen Rechts (Frau 12 und Mann 14) als göttlichen Rechts angesehen aber in der Praxis durch Sondererlaubnisse auch häufig unterschritten.
[ii] Dispens nur vom 3. und 4. Grad der Seitenlinie möglich.
[iii] Im Kern (jedenfalls zwischen den Eltern und ihren Kindern) beruht das Hindernis auf dem Naturrecht. Es ist jedoch strittig, wie weit das naturrechtliche Hindernis darüber hinaus reicht.