VfGH 7679

KFG 1967; keine Bedenken gegen § 103 Abs. 2; denkmögliche Anwendung im Hinblick auf § 9 Abs. 2 RAO (Verschwiegenheitspflicht)

Erk. v. 28. November 1974, B 213/74

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bundespolizeidirektion L erließ gegen den bf. Rechtsanwalt am 11. März 1974 eine Strafverfügung, in der sie ihn einer dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. e StVO 1960 schuldig befand, daß er am 22. Feber 1974 um 17 Uhr seinen PKW im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels abgestellt habe. In dem dagegen erhobenen Einspruch brachte der Bf. insbesondere vor, daß er nach einem Gerichtstermin noch eine dringende Erledigung gehabt und daher einen mit ihm befreundeten Klienten gebeten habe, mit seinem PKW weiterzufahren und diesen auf einem Parkplatz abzustellen. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verbiete es ihm, den Namen des Klienten zu nennen.

2. Der Bf., der am 21. März 1974 vor der Bundespolizeidirektion L niederschriftlich vernommen wurde, wurde unter Bezugnahme auf die Ausführungen in seinem Einspruch und unter Hinweis auf die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, den damaligen Fahrzeuglenker zu nennen. Er verweigerte dies jedoch und wies neuerlich auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht hin.

Die Bundespolizeidirektion L erkannte hierauf den Bf. mit Straferkenntnis vom 28. März 1974 einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 schuldig, da er bis zum 21. März 1974 seiner gesetzlichen Verpflichtung, den Lenker seines Fahrzeugs der Behörde namhaft zu machen, nicht nachgekommen sei; sie verhängte über ihn gemäß § 134 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe sowie eine Ersatzarreststrafe.

3. Der gegen das Straferkenntnis vom Bf. erhobenen Berufung gab der LH von 00 mit Bescheid vom 6. Juni 1974 keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter Hinweis auf den Wortlaut des zweiten Satzes im § 103 Abs. 2 KFG 1967 im wesentlichen angeführt, es bestehe kein Zweifel, daß diese Bestimmung den Bf. verpflichte, der Behörde den Namen jener Person bekanntzugeben, der er sein Fahrzeug zur fraglichen Zeit zur Verfügung gestellt habe; daran ändere auch der Umstand nichts, daß diese Person ein Klient des Bf. sei, denn Abs. 2 erster Satz des in der Berufung zitierten § 9 RAO verpflichte den Rechtsanwalt (bloß) zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten. Worin nun in dem Umstand, daß der Bf. seinem Klienten seinen PKW zur Verfügung stellte, ein Anvertrauen einer Angelegenheit seitens der Partei an den Rechtsanwalt gelegen sein sollte, sei für die Berufungsbehörde unerfindlich.

4. Gegen den Bescheid des LH von OÖ richtet sich die auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der der Bf. behauptet, er sei „in seinen Rechten gemäß § 9 RAO, Art. 6 der Menschenrechtskonvention sowie Art. 8 Staatsgrundgesetz sowie in seinem Recht auf Gewissensfreiheit verletzt”.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der Bf. beruft sich – wie schon im Verwaltungsverfahren – auf die Bestimmung des ersten Satzes im § 9 Abs. 2 RAO, wonach der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet ist. Er meint, daß sich die Verschwiegenheitspflicht auch auf solche Tatsachen erstrecke, die dem Rechtsanwalt nicht von der Partei selbst anvertraut wurden; der Rechtsanwalt verletze die Verschwiegenheitspflicht insbesondere dann, wenn er Umstände, die ihm durch seine Tätigkeit als Vertreter der Partei bekannt wurden, für eine Strafanzeige gegen diese Partei verwerte. Auf dem Boden dieses Standpunktes hält der Bf. die Verweigerung der Namensbekanntgabe für gerechtfertigt. Sie sei geschehen, um seinen Klienten vor der drohenden Bestrafung in einem Verwaltungsstrafverfahren zu bewahren; die Preisgabe des Namens wäre einer Strafanzeige gleichgekommen.

Dieses Vorbringen enthält nichts, was als Vorwurf der Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes gedeutet werden könnte; es erschöpft sich in Argumenten, die lediglich den Nachweis erbringen sollen, daß die bel. Beh. die angeführte Bestimmung im § 9 Abs. 2 RAO unrichtig ausgelegt habe. Dies sowie die vom Bf. ausdrücklich aufgestellte Behauptung, er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht gemäß § 9 RAO verletzt, zeigt, daß er insoweit eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt eines von ihm angenommenen Verstoßes gegen eine einfachgesetzliche Vorschrift anstrebt, wozu jedoch nicht der VfGH, sondern ausschließlich der VwGH berufen ist.

2. Weiters behauptet der Bf. eine Verletzung des Art. 6 MRK, ohne jedoch anzuführen, worin er eine solche erblickt.

Es genügt hiezu die Feststellung, daß das Verwaltungsgeschehen keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Verletzung des geltendgemachten Grundrechtes (soweit es in Ansehung eines Verwaltungsstrafverfahrens überhaupt in Betracht kommt; vgl. z. B. Slg. 7210/1973) bietet.

III. 1. Der Bf. erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ferner im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nach Art. 8 StGG als verletzt und bringt dazu vor, daß er durch gesetzwidrig verhängte Strafen gezwungen werden solle, gesetzliche Verpflichtungen zu verletzen.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (vgl. z. B. Slg. 5498/1967) kann das geltendgemachte Grundrecht durch einen Verwaltungsstrafbescheid nur verletzt werden, wenn damit eine Freiheitsstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes oder in Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verhängt wird. All dies trifft hier nicht zu. Aus der Sicht dieses Beschwerdefalles bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, Auch die Annahme der bel. Beh., daß der Bf. der Vorschrift des zweiten Satzes im § 103 Abs. 2 KFG 1967 zuwidergehandelt habe, ist ebenso denkmöglich wie ihre Auffassung, daß aus dem ersten Satz des § 9 Abs. 2 RAO für den Bf. ein Rechtfertigungsgrund nicht abgeleitet werden kann, da im Umstand, daß er seinem Klienten seinen PKW zur Verfügung stellte, kein Anvertrauen einer Angelegenheit seitens des Klienten an den Rechtsanwalt liege.

Der Bf. ist sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit offenkundig nicht verletzt worden.

2. Der Bf. meint schließlich, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, seinen Klienten der Behörde bekanntzugeben und lastet unter diesem Gesichtspunkt dem angefochtenen Bescheid eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG) an.

Auf dieses Vorbringen braucht der VfGH jedoch nicht näher einzugehen, da sich die durch Art. 14 StGG gewährleistete volle Glaubens- und Gewissensfreiheit nur auf religiöse Fragen bezieht (vgl. Slg. 7494/1975).

3. Auch die Verletzung eines anderen als der vom Bf. geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben. Die Beschwerde ist sohin abzuweisen.

VfGH 6998

Konkordat 1934; Versetzung eines gemäß Art. V § 4 von der Lehrtätigkeit enthobenen Theologieprofessors in den zeitlichen Ruhestand gemäß Zusatzprotokoll und § 45 Gehaltsüberleitungsgesetz; kein Eingriff in die Freiheit von Wissenschaft und Lehre und in die Meinungsäußerungsfreiheit

Erk. v. 2. März 1973, B 3/73

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

(Auszug)

I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 23. April 1968 zum ordentlichen Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien ernannt. Die Ernennung erfolgte, nachdem im Sinne des Art. V Abs. 3 (richtig § 3) des Konkordates vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, der Erzbischof von Wien als Ordinarius der Erzdiözese Wien mit Note vom 3. Mai 1967 die Zustimmung erteilt hatte. Diese Zustimmung ist mit Note des Erzbischofs von Wien vom 10. November 1972 widerrufen worden; Grund hiefür war, daß der Beschwerdeführer aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten ist und daher im Sinne des § 4 (richtig Art. V § 4) des Konkordates für die Lehrtätigkeit als ordentlicher Universitätsprofessor an der Katholisch-theologischen Fakultät in Wien nicht mehr geeignet erachtet worden ist.

Hierauf erging an den Beschwerdeführer folgender Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972, Zl. 179.938-1/72:

„Der Erzbischof von Wien hat dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit Schreiben vom 10. November 1972 mitgeteilt, daß er seine szt. Zustimmung zu Ihrer Ernennung widerrufe.

Sie werden daher gemäß Art. V § 4 des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Osterreich vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, von der Ausübung Ihrer Lehrtätigkeit als Ordentlicher Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität in Wien enthoben.

Weiters werden Sie gemäß Art. V § 4 des Zusatzprotokolles zum Konkordat im Zusammenhalt mit § 45 j Absatz 1 des Gehaltsüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1947, in der dzt. geltenden Fassung, mit 30. November 1972 in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Der Ihnen nach den einschlägigen Bestimmungen des II. Abschnittes des Pensionsgesetzes, BGBl. Nr. 340/1965, auf Grund Ihrer anrechenbaren Dienstzeit gebührende Ruhegenuß wird Ihnen, gegen Einstellung Ihrer Aktivitätsbezüge mit Ende November 1972, vom 1. Dezember 1972 angefangen monatlich im vorhinein durch das Zentralbesoldungsamt in Wien flüssig-gemacht werden.

Wegen Bemessung und Anweisung des Ruhegenusses wird u. e. das Erforderliche im Wege des ho. Fachdienstes für Hochschulen veranlaßt werden.”

2. Gegen diesen Bescheid, soweit er die Versetzung des Beschwerdeführers in den zeitlichen Ruhestand ausspricht, richtet sich die auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Glaubens- und Gewissensfreiheit, auf Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre sowie auf freie Meinungsäußerung geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972 (die Nichteinhaltung der gemäß den §§ 1, 9 und 10 DVG geltenden Formerfordernisse beeinträchtigt nicht den Bescheidcharakter) gründet sich auf folgende Bestimmungen des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich sowie des Zusatzprotokolls hiezu vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934:

„Art. V.

§ 3. Die Ernennung oder Zulassung der Professoren oder Dozenten an den vom Staate erhaltenen Katholisch-theologischen Fakultäten wird nur nach erfolgter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Behörde erfolgen.

§ 4. Sollte einer der genannten Lehrer in der Folge seitens der zuständigen kirchlichen Behörde der obersten staatlichen Unterrichtsverwaltung als für die Lehrtätigkeit nicht mehr geeignet bezeichnet werden, wird er von der Ausübung der betreffenden Lehrtätigkeit enthoben

Zu Art. V § 4.

Falls ein gemäß dieser Konkordatsbestimmung von der Ausübung seiner Lehrtätigkeit enthobener Professor nicht eine andere staatliche Verwendung findet, wird er in seiner Eigenschaft als Bundeslehrer unter Zuerkennung des ihm gemäß seiner anrechenbaren Dienstzeit zukommenden Ruhegenusses, jedenfalls aber des Mindestruhegenusses, sofern er nach Maßgabe der sonstigen staatlichen Vorschriften nicht überhaupt den Anspruch auf Ruhegenuß verwirkt hat, in den Ruhestand versetzt.”

Daß die genannten staatsvertraglichen Bestimmungen des Konkordates in dieser Eigenschaft geltendes Recht sind, ergibt sich aus den Art. I und VIII des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Osterreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960, wonach die vertragschließenden Teile übereingekommen sind, verschiedene Vorschriften des Konkordates vom 5. Juni 1933 sowie des Zusatzprotokolls abzuändern (Art. I) und wonach die genannten Bestimmungen nicht unter den Vorschriften angeführt sind, die nicht mehr in Geltung stehen (Art. VIII). Als staatliches Recht stehen die genannten Bestimmungen auf der Stufe einfacher Bundesgesetze.

2. Der Beschwerdeführer hält dafür, daß seine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand mit den Verfassungsbestimmungen der Art. 14 und 17 StGG unvereinbar sei …

3. Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972 enthält zwei Aussprüche konstitutiver Art: die Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit (fußend auf Art. V § 4 des Konkordates) und die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (fußend auf der Bestimmung des Zusatzprotokolls zu Art. V § 4 des Konkordates).

Die Beschwerde richtet sich gegen diesen Bescheid, „soweit er meine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand ausspricht”, sie läßt also ausdrücklich die Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit unangefochten. Auch aus dem sonstigen Inhalt der Beschwerde ergibt sich nichts anderes. Dieser läßt deutlich erkennen, daß der Beschwerdeführer der Auffassung ist, der Entzug der Lehrbefugnis innerhalb der Katholisch-theologischen Fakultät sei mit der Verfassung vereinbar, nicht aber die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand. Die auf eine Frage des Gerichtshofes in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung des Beschwerdevertreters, daß auch der Teil des angefochtenen Bescheides bekämpft werde, der die Enthebung des Beschwerdeführers von der Ausübung der Lehrtätigkeit ausspricht, stellt daher eine in diesem Stadium des Verfahrens nicht mehr zulässige Erweiterung der Anfechtung dar.

4. Mit der bekämpften Versetzung in den zeitlichen Ruhestand wird eine dienstrechtliche Maßnahme, nämlich die Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses (mit der Möglichkeit einer Reaktivierung getroffen, und zwar als Folge der nicht bekämpften Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit.

Da sich diese — unangefochten gebliebene — Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit auf den ganzen Umfang der Lehrtätigkeit bezieht, zu der der Beschwerdeführer gemäß der Entschließung des Bundespräsidenten vom 23. April 1968 befugt war (nämlich auf seine Lehrtätigkeit als ordentlicher Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien) steht dem Beschwerdeführer eine außerhalb des Umfanges der Enthebung liegende und von dieser unberührte Befugnis zur Ausübung der Lehrtätigkeit nicht zu, sodaß durch die mit Beschwerde angefochtene Versetzung in den zeitlichen Ruhestand selbst nicht in die Ausübung der Lehrtätigkeit eingegriffen wird. Ist aber nicht ein Eingriff in die Ausübung der Lehrtätigkeit Gegenstand der bekämpften dienstrechtlichen Maßnahme, so kann bei dem gegebenen Sachverhalt durch diese Maßnahme weder in das Recht der Glaubens-und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG) noch in das Recht auf Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art. 17 StGG) noch in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 13 StGG) eingegriffen werden.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Eine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

VfGH 6747

Hinderung eines Untersuchungsgefangenen an der Teilnahme an einem Gottesdienst; keine Verletzung des Rechtes auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG) und auf Religionsfreiheit (Art. 9 MRK); kein Entzug des gesetzlichen Richters.

Erk. v. 20. Juni 1972, B 223/69

Der Beschwerdeführer ist dadurch, dass er im Juni 1969 an der Teilnahme am evangelischen Gottesdienst im Gefangenenhaus II des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom Antragsteller gehindert worden ist, in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden; seine Beschwerde wird daher abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer befand sich in der Zeit vom 30. Mai bis 17. September 1969 im Gefangenenhaus II des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Untersuchungshaft. Er ersuchte zu wiederholten Malen um die Bewilligung zur Teilnahme an dem in diesem Gefangenenhaus wöchentlich stattfindenden evangelischen Gottesdienst. Diese Ersuchen wurden von der Anstaltsleitung abgelehnt. Am 30. Juni 1969 richtete der Beschwerdeführer eine schriftliche Eingabe an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, in dem er der Anstaltsleitung vorwarf, ihn schikanös an der Ausübung seines Religionsbekenntnisses zu  hindern und beantragte, „gegen diese Exzesse einzuschreiten“. Am 1. und 4. Juli richtete er zwei weitere Eingaben an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, in welchen er eine Bestätigung des Eingangs seiner Beschwerde vom 30. Juni begehrte. In Erledigung dieser Eingaben ersuchte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien mit Schreiben vom 16. Oktober 1969 Jv 10.427-30 a/69, den Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien „dem Untersuchungsgefangenen Wolf E., zu seinen Eingaben vom 30. 6., 1. 7, und 4. 7. 1969 mitzuteilen, daß zu dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahmen kein Anlaß gefunden wurde.”

Diesem Auftrag konnte der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien jedoch nicht entsprechen, weil der Beschwerdeführer am 7. Oktober 1969 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden war.

1.2. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß ihm die Teilnahme am Gottesdienst unmöglich gemacht worden ist und nicht etwa gegen eine förmliche Abweisung seines Ansuchens um Bewilligung zur Teilnahme am Gottesdienst. Ein förmlicher Bescheid über sein diesbezügliches Begehren sei ihm nämlich gar nicht zugegangen. Er behauptet, durch diese Maßnahme in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Religionsausübung (Art. 14 StGG.) verletzt worden zu sein.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen

2.1. Es ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, daß er von der Teilnahme am Gottesdienst abbehalten worden ist, ohne daß — jedenfalls vorher. — über sein dahingehendes Begehren bescheidmäßig abgesprochen worden wäre. Der Verfassungsgerichtshof erblickt in dieser Maßnahme einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers, also eine faktische Amtshandlung, die als solche unmittelbar mit Beschwerde nach Art. 144 B-VG. angefochten werden kann (vgl. dazu insbesondere Erk. Slg. Nr. 4948/1965, aber auch Slg. Nr. 5195/1966 5635/1967, 5883/1969 , 6502/1971). Diese Amtshandlung ist, wie in der Gegenschrift zur Beschwerde richtig dargelegt wird, gemäß §§ 621 ff. GeO., BGBl. Nr. 264/1951 in der geltenden Fassung, und Art. 5 des Verwaltungsersparungsgesetzes, BGBl. Nr. 76/1926, dem Präsidenten des Landesgerichtes für. Strafsachen Wien zuzurechnen. Daß der Beschwerde gegen diese Amtshandlung das Prozeßhindernis der Nichterschöpfung des Instanzenzuges (Art. 144 Abs. 1 B-VG.) nicht entgegensteht, ist schon gesagt worden.

2.2. Von der seelsorgerischen Betreuung der Untersuchungsgefangenen ist im § 186 StPO. in seiner vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 10. Mai 1972, BGBl. Nr. 143, in Geltung gestandenen — hier maßgeblichen — Fassung, im § 640 GeO. und im 9 der „Hausordnung für gerichtliche Gefangenhäuser”, Erlaß des Bundeskanzlers vom 11. März 1925, Zl. 207.704-31/24, in der geltenden Fassung die Rede. Die beiden erstgenannten Bestimmungen regeln diese Frage jedoch nur unter dem Gesichtspunkt des Rechtes des Untersuchungsgefangenen, den Besuch eines Geistlichen zu empfangen, nicht aber unter dem der Teilnahme an gottesdienstlichen Veranstaltungen, die in der Anstalt abgehalten werden. Keine dieser Vorschriften kommt daher als Rechtsgrundlage der hier angefochtenen Amtshandlung in Betracht. § 9 der Hausordnung für gerichtliche Gefangenhäuser wiederum besagt:

„Die Bestimmung über die Teilnahme am Gottesdienst und a den kirchlichen Heilsmitteln enthält die Gottesdienstordnung.”

Eine solche Gottesdienstordnung ist jedoch niemals erlassen worden. Es existierte zu der Zeit, als die angefochtene Amtshandlung gesetzt wurde, auch keine andere Rechtsvorschrift, die im besonderen die Teilnahme von Untersuchungsgefangenen an Gottesdiensten geregelt hätte. Dennoch ist der Verfassungsgerichtshof nicht der Ansicht, daß der Beschwerdeführer durch die angefochtene Amtshandlung in seinem durch Art. 14 StGG. gewährleisteten Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit oder in dem durch Art. 9 MRK. gewährleisteten Anspruch auf Religionsfreiheit verletzt worden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 6265/1970 — aus Anlaß der Beschwerde eines ‘Untersuchungsgefangenen gegen die bescheidmäßige Ablehnung seines Ansuchens, zur Ausübung seines Wahlrechtes bei der am 1. März 1970 stattgefundenen Wahl ausgeführt zu werden — festgestellt hat, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Staates, „in den Fällen eines gesetzmäßig verhängten Freiheitsentzuges besondere Vorkehrungen zu treffen, um den Betroffenen die Ausübung ihres Individualrechtes zu ermöglichen.” Dies gilt auch für den vorliegenden Beschwerdefall. In der Zeit, als die angefochtene Maßnahme gesetzt wurde — die heutige Rechtslage ist hier unmaßgeblich und daher nicht zu prüfen — gab es keine Rechtsvorschrift, die eine Verpflichtung des Staates begründet hätte, Vorkehrungen dafür zu treffen, daß Untersuchungsgefangene an einem Gottesdienst beliebiger Konfession teilnehmen können. In dem durch Art. 14 StGG. gewährleisteten Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit und in dem durch Art. 9 MRK. gewährleisteten Anspruch auf Religionsfreiheit ist der Beschwerdeführer schon allein deshalb nicht verletzt worden.

2.3. Nun haben aber im Gefangenenhaus, in dem der Beschwerdeführer angehalten wurde, tatsächlich evangelische Gottesdienste – nur an diesen wollte der Beschwerdeführer teilnehmen — stattgefunden. Bei dieser Sachlage könnte die Ausschließung eines Untersuchungsgefangenen eine Verletzung des Gleichheitsrechtes bedeuten. Da aber dieses Recht nach         Art 7 B-VG. nur österreichischen Staatsbürgern gewährleistet, der Beschwerdeführer nach der sein  Vorbringen wiedergebenden Aktenlage jedoch deutscher Staatsangehöriger ist kann im vorliegenden Fall eine Gleichheitsverletzung nicht stattgefunden haben.

2.4. Zu 2.2. ist festgestellt worden daß in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Rechtsvorschrift bestanden hat, die im besonderen die Teilnahme von Untersuchungsgefangenen  an Gottesdiensten geregelt hätte. Es ist daher auch noch zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nicht etwa deshalb, weil sich die angefochtene Amtshandlung auf keine gesetzliche Grundlage zu stützen vermochte, in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG.) verletzt worden ist. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist auch das nicht der Fall. § 183 stopp. in seiner vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 10. Mai 1972, BGBl. Nr. 143, in Geltung stehenden Fassung, ermächtigte die belangte Behörde, dem Untersuchungsgefangenen jene Beschränkungen aufzuerlegen, „die erforderlich sind, um sich seiner Person zu versichern und für die Untersuchung nachteilige Verabredungen zu hindern“. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten waren die evangelischen Gottesdienste im Gefangenenhaus II des Landesgerichtes für Strafsachen Wien während der hier maßgeblichen Zeit derart stark frequentiert, daß sich die Gefangenenhausverwaltung „aus disziplinären Gründen“ (zitiert aus dem Bericht der Gefangenenhausverwaltung an den Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Juli 1969) veranlaßt sah, den Besuch dieser Gottesdienste zu beschränken. Eine solche „disziplinäre“ Maßnahme aber war durch die oben wiedergegebene Vorschrift des § 183 StPO. gedeckt. Der Beschwerdeführer ist demnach auch im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

2.5 Da im Verfahren auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts nicht hervorgekommen ist, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

VfGH 6466

Kirchenbeitragsgesetz; keine Bedenken gegen § 5; denkmögliche Gesetzesanwendung

Erk. v. 17. Juni 1971, B 642/70

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid vom 25. November 1969, GZ. II/4-215/20-1969, hat der Landeshauptmann von Niederösterreich folgenden Spruch erlassen:

„Im Grunde des Absatzes 2 zweiter Halbsatz des Zusatzprotokolls zu Art. XI § 1 des Konkordates vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, wird erkannt: Die Marktgemeinde Spitz an der Donau ist als Eigentümerin der Liegenschaften EZ. 511 der NÖ. Landtafel ,der Erlachhof bei Spitz und EZ. 418 Kat. Gemeinde Spitz aus dem Titel des privaten Realpatronates über die r. k. Pfarrkirche und die r. k. Pfarrpfründe Aggsbach-Markt gemäß dem NÖ. Kirchen-Baukonkurrenznormale vom 27. Juni 1805, Politische Gesetzessammlung XXIV Nr. 62, verpflichtet, an Material- und Professionistenkosten den Betrag von 281.434’65 S (zweihunderteinundachtzigtausendvierhundertdreißigvier fünfundsechzig Hundertstel Schilling) an die römisch-katholische Pfarrkirche Aggsbach-Markt bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Diese Geldleistung wird auf Grund des § 59 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172/ 1950 (im folgenden abgekürzt AVG.), folgendermaßen als fällig werdend erklärt: Jeweils 300/0 14 Tage nach jeweiliger Erteilung des Auftrages zur Durchführung der Instandsetzungsarbeiten an die einzelnen Professionisten, die jeweiligen restlichen 70% nach Maßgabe des Baufortschrittes auf Grund der betreffenden Teilrechnungen bzw. Rechnungen mit einem die rechtzeitige Bezahlung derselben gewährleistenden Termin. Im Falle der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Verpflichtung bleibt die Erlassung eines gesonderten Leistungsbescheides (Eintritt der Bedingung für die Leistungsverpflichtung) auf Antrag der r. k. Pfarrkirche Aggsbach-Markt vorbehalten. Wegen Gefahr im Verzöge wird gemäß § 64 Abs. 2 AVG. die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.”

Der dagegen von der Marktgemeinde Spitz an der Donau erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst mit Bescheid vom 16. Oktober 1970, Zl. 40.324-Ka/70, keine Folge gegeben. In der dagegen erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde behauptet die Marktgemeinde Spitz an der Donau, durch diesen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber erwogen:

1. a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß sie durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden ist. Dieses Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat (vgl. z. B. Erk. SIg. Nr. 5225/ 1966, 5411/1966, 5442/1966, 5609/1967, 5658/1968, 5799/1968, 5931/ 1969).

b) Die Beschwerdeführerin macht ausschließlich geltend, daß sie in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht deshalb verletzt worden sei, weil die im § 5 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 543/1939 (im folgenden kurz mit KBG. bezeichnet), erfolgte unterschiedliche Behandlung von öffentlichem und privatem Patronat, wenn man der Auslegung der belangten Behörde folgt, den Gleichheitsgrundsatz verletzt.

§ 5 KBG. lautet:

“Im Hinblick auf die durch dieses Gesetz den in § 1 genannten Kirchen eröffneten Einnahmequellen werden die Verpflichtungen des Staates, der in staatlicher Verwaltung stehenden Fonds, der Gemeinden, der Kultusverbände (Pfarr- und Kultusgemeinden) und der öffentlichen Patrone, zur Deckung des in § 1 genannten Bedarfes beizutragen, aufgehoben. Ebenso werden für alle anderen die Verpflichtungen zur Entrichtung regelmäßig wiederkehrender Leistungen aufgehoben, soweit sie nicht auf dem privaten Patronat oder auf Privatrechtstiteln beruhen.”

Es braucht nun nicht untersucht zu werden, ob diese Gesetzesstelle den Inhalt hat, den die belangte Behörde angenommen hat, ob nämlich für die Qualifikation als öffentliches Patronat die sogenannte Titeltheorie maßgebend ist, wie die Beschwerdeführerin annimmt, oder die sogenannte Inhabertheorie, die die belangte Behörde vertritt. Denn in beiden Fällen bestehen gegen die Regelung des § 5 KBG. keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Nach der sogenannten Titeltheorie ist maßgebend, ob der Titel, auf den sich die gegenwärtige Rechtslage gründet, im Zeitpunkt seiner Entstehung ein öffentlich-rechtlicher oder ein privatrechtlicher war; diese Auffassung vertrat der Verwaltungsgerichtshof bis 1967. Bei Annahme dieser Rechtsauffassung hat die Beschwerdeführerin selbst keine Bedenken in der Richtung geäußert, daß § 5 KBG. gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verstoße. Auch sonst sind im Verfahren Bedenken dieser Art nicht entstanden.

Nach der sogenannten Inhabertheorie ist maßgebend, ob das Patronat im Zeitpunkt des Inkrafttretens des KBG. (1. Mai 1939) einem Privaten oder einer der im § 5 KBG. genannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften zustand; diese Auffassung vertritt der Verwaltungsgerichtshof seit seinem Erkenntnis Slg. Nr. 7188 A/1967. Auch bei Annahme dieser Rechtsauffassung bestehen gegen § 5 KBG. keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes. Mit § 1 KBG. wurde an Stelle des Systems der Zuschüsse der öffentlichen Hand an die Kirchen das System der Kirchenbeiträge der Kirchenmitglieder eingeführt; eine solche Regelung zu treffen, ist dem Gesetzgeber durch keine Bestimmung der Bundesverfassung verwehrt. Dieser Systemwechsel betrifft aber nicht die Beziehungen Privater zu den Kirchen, gleichgültig, auf welchen Rechtstitel sie sich gründen. Daher ist es dem Gesetzgeber auch nicht durch den Gleichheitsgrundsatz verwehrt, diese Rechtsbeziehung anders zu behandeln, sie also nicht auch untergehen zu lassen.

c) Da sohin die im angefochtenen Bescheid angewendeten Gesetzesbestimmungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind und ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde weder behauptet wurde, noch sonst im Verfahren hervorgekommen ist, ist die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

2. a) Die Beschwerdeführerin behauptet ferner, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch den in ein privates Vermögensrecht eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen wurde, oder wenn er sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt und schließlich, wenn bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet worden ist (Erk. Sag. Nr. 5167/1965, 5847/ 1968 u. a.).

b) Der Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid die Pflicht zu einer Geldleistung auferlegt worden. Damit ist in ihr Privatrecht und sohin auch in ihr Eigentum im Sinne des Art. 5 StGG. eingegriffen worden.

c) Daß gegen die im Bescheid angewendeten Rechtsgrundlagen keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes bestehen, wurde bereits unter Punkt 1 dargetan. Auch sonst sind gegen sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden.

d) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht angenommen habe, es liege ein privates Patronat vor. Es habe sich vielmehr im vorliegenden Falle um ein öffentliches Patronat gehandelt, das nach § 5 KBG. erloschen sei. Es bestehe also überhaupt kein Patronat und der angefochtene Bescheid, der der Beschwerdeführerin aus dem Titel des privaten Patronats eine Geldleistung vorschreibe, entbehre damit jeder gesetzlichen Grundlage.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der Frage, ob das in Rede stehende Patronat ein öffentliches oder ein privates ist, ausführlich auseinandergesetzt. Sie hat ausgeführt, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 7188 A/1967 von seiner bisherigen Judikatur abgegangen ist, die die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Patronat nach dem jeweiligen Entstehungstitel traf. Nunmehr stelle er auf die Eigenschaft des Patrons im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kirchenbeitragsgesetzes (1. Mai 1939) ab. Dieser Ansicht schließe sich die belangte Behörde an, woraus sich ergebe, daß das in Rede stehende Patronat ein privates sei.

Diese Begründung, die eine Rechtsauffassung übernimmt, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 7188 A/1967 auf Grund des Beschlusses eines verstärkten Senates vertreten hat, ist durchaus denkmöglich. Ob sie auch richtig ist, war vom Verfassungsgerichtshof nicht zu untersuchen.

Im übrigen ist unbestritten, daß die mit dem Realpatronat belasteten Liegenschaften am 1. Mai 1939 im Eigentum eines Privaten standen.

Die Beschwerdeführerin ist daher in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht deshalb verletzt worden, weil die belangte Behörde das Vorliegen eines privaten Patronats annahm.

e) Die Beschwerdeführerin behauptet schließlich, in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auch dadurch verletzt worden zu sein, daß der Bescheid die ihr vorgeschriebene Geldleistung nicht auf die Realhaftung beschränkte.

Auch mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich auseinandergesetzt. Sie hat ausgeführt: „Gemäß Zusatzprotokoll zu Art. XIV letzter Absatz des Konkordats 1933 bleiben die im Gebiet der Republik Osterreich in betreff der Herstellung und Erhaltung der Kirchen- und Pfründengebäude sowie in betreff der finanziellen Bestreitung der sonstigen Kirchenerfordernisse bestehenden Normen aufrecht. Für das Bundesland Niederösterreich handelt es sich hier insbesondere um das Circulare der k. auch k. kgl. Landesregierung im Erzherzogtum Osterreich unter der Enns vom 27. Juni 1805, Politische Gesetzessammlung, Band XXIV, Nr. 62, S. 137, betreffend Maßregeln für die Bestreitung der Kosten bei Kirchen- und Pfarrbaulichkeiten. Dieses auf Grund des Hofkanzleidekretes vom 22. Mai 1805, Z. 9742, erflossene Circulare sieht in seinem Punkt 7 vor, daß alle übrigen Kosten der Herstellung oder größeren Reparation des Pfarr-Gebäudes, zu deren Bestreitung das entbehrliche Kirchen-Vermögen nicht hinreicht, vom Patron der Pfarre, nach der Natur des Patronates und nach den ältesten Verordnungen, aus Eigenem zu tragen sind. Ähnliches gilt gemäß Ziffer 1 dieses Circulares auch hinsichtlich der Pfarrkirche. Hofdekret und Circulare beschränken also die Leistungspflicht des Patrons nicht mit Leistungen aus den patronatsverfangenen Liegenschaften; vielmehr statuiert die Haftung ,aus Eigenem’ eine persönliche Leistungspflicht des Patrons. In diesem Sinn hält etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1929, A 267/28 [Slg. Nr. 15781 (A)], ausdrücklich in Übereinstimmung mit der bisherigen Judikatur [Erkenntnis vom 30. Dezember 1924, A 426/ 23, Slg. Nr. 13715 (A)], fest, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit des Patrons nach dem zitierten niederösterreichischen Baunormale keine Bedingung oder Voraussetzung für die Verpflichtung des Patrons zur Tragung der Wiederherstellungskosten bildet. Auch die analoge Anwendung privatrechtlicher Grundsätze in Patronatssachen im Hinblick auf § 1471 ABGB. vermag an dieser Ansicht nichts zu ändern. Vielfach wird die Patronatsverpflichtung als Reallast angesehen„ wie dies etwa im gegenständlichen Falle ausdrücklich in der Einverleibung unter COZ. 1 der Landtafelliegenschaft EZ. 511 geschehen ist. Es besteht demnach für die Reallastverpflichtung nicht nur die Sachhaftung; vielmehr haftet der Eigentümer für die während der Dauer seines Eigentumsrechtes fällig werdenden Leistungen auch persönlich (siehe Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, 1/2 Sachenrecht, 2, bzw. 7. Auflage, 1957, § 263, S. 365).”

Daraus folge, daß für den Patron neben der Sachhaftung auch die persönliche Haftung besteht.

Auch diese Ausführungen sind denkmöglich. Ob sie richtig sind, war aber vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, weil es sich dabei um Fragen der Anwendung einfachgesetzlicher Bestimmungen handelt, über die zu erkennen der Verwaltungsgerichtshof berufen ist.

Die Beschwerdeführerin ist also auch nicht aus diesem Gesichtspunkt in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

3. Da im Verfahren auch sonst nicht die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorgekommen ist, war die Beschwerde abzuweisen.

VfGH 5809

Gesetz vom 9. April 1870, RGBL Nr. 51; zum Inhalt dieses Gesetzes; zur Frage der ehemals bestandenen Zuständigkeit zur Führung der Matriken über die der gesetzlich anerkannten Katholischen Kirche angehörenden Personen und der Geburtsregister über Personen, die keiner gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, sowie zur Rechtsnatur der von den katholischen Pfarrern zu führenden Geburts-, Trauungs- und Totenbücher als öffentliche Urkunden. Im Jahre 1908 war die Katholische Kirche in Österreich lediglich mit dem römischen (lateinischen), dem griechischen und dem armenischen Ritus anerkannt; es ist offenkundig, daß es sich bei der Frage nach der staatlichen Anerkennung von Riten der Katholischen Kirche ausschließlich um Riten im organisatorischen (körperschaftlichen) Sinn — nicht etwa auch um Riten im bloß liturgischen (nur durch Kultform bestimmten) Sinn — handeln kann. Gesetz vom 25. Mai 1868, RGBI. Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden; Feststellung des Religionsbekenntnisses in Handhabung des Art. 1 und 2. Keine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit oder des Gleichheitsrechtes

Erk. v. 15. Oktober 1968, B 13/68

Die Beschwerde wird abgewiesen und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Entscheidungsgründe:

A. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid, der Gegenstand der Beschwerde ist, hat der Bundesminister für Unterricht ausgesprochen, daß der Antrag des Beschwerdeführers „auf Feststellung der Nichtzugehörigkeit zur ,Katholischen Kirche lateinischen Ritus (rit. lat.)’ in Osterreich … gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1968, RGBL Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, abgewiesen” wird, und festgestellt, daß der Beschwerdeführer „der römisch-katholischen Kirche in Osterreich, lateinischer Ritus (Art. I § 1 des Konkordates, BGBl. 11 Nr. 2/1934), angehört.”

B. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den bekämpften Bescheid „in der vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit” verletzt worden zu sein.

Dieses Recht (Art. 14 StGG.) wäre durch den bekämpften Bescheid verletzt, wenn die oben wiedergegebene Feststellung gesetzwidriger-weise getroffen worden wäre (vgl. B 122/67 vom 9. Oktober 1967). Dies ist aber nicht der Fall.

I. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei Angehöriger des glagolitischen (westslawischen) Ritus. Er sei glagolitisch getauft worden, Der Bescheid verletze die staatlich ebenfalls relevante Wirkung dieser glagolitischen Taufe, indem er den Beschwerdeführer antisakramental bescheidmäßig in den lateinischen Ritus eingegliedert. Lateinischer Ritus und glagolitischer Ritus seien verschieden.

II. Zunächst ist festzustellen, daß es hier nur darum geht, ob der bekämpfte Bescheid den staatlichen Normen entspricht. Die Frage, ob im bloß inneren Bereich der Katholischen Kirche ein glagolitischer Ritus neben dem lateinischen Ritus besteht, ist hier nicht relevant.

1. a) Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren einen in kroatischer Sprache abgefaßten am 6. Juni 1939 ausgestellten Geburts- und Taufschein in der Pfarre S. in S., Jugoslawien, — samt beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache — vorgelegt.

Danach — S. 74, Nummer 205 des Verzeichnisses XV der Geborenen dieser Pfarre — ist der Beschwerdeführer am 22. November 1908 ehelich geboren und am 13. Dezember 1908 vom damaligen Pfarrer getauft worden. Die Religion des Vater ist mit „römisch-katholisch” angegeben. Das Religionsbekenntnis der Mutter ist nicht vermerkt.

Dalmatien war in diesem Zeitpunkt eines der im österreichischen Reichsrate vertretenen Königsreiche und Länder. Es galt österreichisches Recht.

b) Damals bestimmte das Gesetz vom 9. April 1870, RGBI. Nr. 51, u. a., daß die Geburtsregister über Personen, die keiner gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, von der Bezirkshauptmannschaft (Statutargemeindebehörde) zu führen sind.

Die Führung der Matriken über die der gesetzlich anerkannten Katholischen Kirche angehörenden Personen oblag den Pfarrern (kaiserliches Patent vom 20. Februar 1784, Jos. Ges. S., IV. Teil, Nr. 113; Erl. des dalmatinischen Guberniums vom 20. August 1816, Z. 13.529, republiziert in der Prov. Ges. S. 1837, S. 436) — vgl. Seidl, Matrikenführung, Wien 1897, S. 1; Mayrhofer, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Zweiter Band, Wien 1896, S. 1112, 1116 und 1180) des Beschwerdeführers gemäß dem § 112 der allgemeinen Gerichtsordnung (kaiserliches Patent vom 1. Mai 1781) und gemäß dem Hofkanzleidekret vom 15. Jänner 1787, Jos. Ges. S., Nr. 621, als öffentliche Urkunden zu halten „über jene Umstände, worüber sie eigens errichtet sind, nicht aber über die einfließenden, auf bloßes Angeben sich gründenden Nebenumstände.”

c) Im Jahre 1908 war die Katholische Kirche in Osterreich lediglich mit römischen (lateinischen), dem griechischen und dem armenischen Ritus anerkannt. Schon der Motivenbericht zum Gesetz vom 20. Mai 1874, RGBI. Nr. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften enthielt im Rahmen eines Hinweises auf die bereits vorher gesetzlich anerkannten Religionsbekenntnisse diese taxative Aufzählung. Nur die Rechtsverhältnisse der Katholischen Kirche dieser Riten waren schon vor der Erlassung des zitierten Gesetzes aus 1874 staatlich irgendwie geregelt; insoweit ist die Kirche damit staatlich anerkannt worden. Daran hat sich jedenfalls bis zum Ende des Jahres 1908 nichts geändert (vgl. die einschlägigen Ausführungen bei Mischler-Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch, Wien 1909, Vierter Band, S. 104/105, bei Mayrhofer, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, Vierter Band, Wien 1898, S. 17/18; bei Groß-Schueller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechtes, Wien 1922, S. 74; bei Adamovich, Grundriß des österreichischen Verwaltungsrechts, Wien 1948, S. 33). Es ist offenkundig, daß es sich bei der Frage nach der staatlichen Anerkennung von Riten der Katholischen Kirche ausschließlich um Riten im organisatorischen (körperschaftlichen) Sinn — nicht etwa auch um Riten im bloß liturgischen (nur durch Kultform bestimmten) Sinn — handeln kann. Mit einem glagolitischen Ritus war die Katholische Kirche im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers staatlich nicht anerkannt.

2. a) Für alle im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder galt im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers das Gesetz vom 25. Mai 1868, RGBI. Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden.

Gemäß Art. 1 dieses Gesetzes folgten eheliche oder den ehelichen gleichgehaltene Kinder, sofern beide Eltern demselben Bekenntnis angehören, der Religion ihrer Eltern. Bei gemischten Ehen folgten die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der Religion der Mutter. Doch konnten die Ehegatten vor oder nach Abschluß der Ehe durch Vertrag festsetzen, daß das umgekehrte Verhältnis statt- finden solle oder daß alle Kinder der Religion des Vaters oder alle der Religion der Mutter folgen sollen. Im Art. 2 war u. a. bestimmt, daß das nach dem vorhergehenden Artikel für ein Kind bestimmte Religionsbekenntnis in der Regel so lange nicht verändert werden darf, bis dasselbe aus eigener freier Wahl eine solche Veränderung vornimmt. Es konnten jedoch Eltern, welche nach Art. 1 das Religionsbekenntnis der Kinder vertragsmäßig zu bestimmen berechtigt waren, dasselbe bezüglich jener Kinder ändern, welche noch nicht das siebente Lebensjahr zurückgelegt haben.

b) Folgende Erwägungen zeigen, daß der Beschwerdeführer gemäß diesen gesetzlichen Bestimmungen der Religion des Vaters gefolgt ist (Art. 1, zweiter Satz), falls nicht auch die Mutter römisch-katholisch war und daher der erste Satz des Art. 1 zutraf:

Der Vater war nach der Geburtsurkunde römisch-katholisch; der Beschwerdeführer hat auch selbst erklärt, sein Vater sei römisch-katholisch gewesen, habe also dem lateinischen Ritus angehört. Hätten die Eltern vertragsmäßig bestimmt (vgl. die wiedergegebene Stelle des Art. 2 leg. cit.), daß ihr Kind nicht der römisch-katholischen (lateinischen) Kirche, sondern der nach Meinung des Beschwerdeführers bestehenden, aber gesetzlich nicht anerkannten, katholischen Kirche des glagolitischen Ritus angehören sollte, so hätten sie die Geburt bei der politischen Behörde I. Instanz gemäß dem Gesetz vom 9. April 1870, RGBl. Nr. 51, registrieren lassen müssen. Das ist offenbar nicht geschehen.

Der Beschwerdeführer ist demnach kraft Gesetzes Angehöriger der römisch-katholischen (lateinischen) Kirche geworden.

c) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß es — entgegen der Meinung des Beschwerdeführers — nicht erheblich ist, ob die Taufe, so wie der Beschwerdeführer behauptet, nach glagolitischem Ritus vorgenommen worden ist. Außerdem ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei nach jugoslawischem Recht zu beurteilen, ob das Taufbuch jetzt öffentliche Urkunde ist, ebenso unerheblich ist, wie seine Ausführungen über den innerkirchlichen Biritualismus und das innerkirchliche Matrikenwesen.

C. Der Beschwerdeführer hat auch behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein.

Ein im Hinblick auf das Gleichheitsgebot bedenkliches, der geltenden Rechtsordnung angehörendes Gesetz wurde nicht angewendet.

Es ist auch keinem Gesetz ein dem Gleichheitsgebot widersprechender Inhalt beigemessen worden.

Willkürlich hat die belangte Behörde nicht gehandelt.

Im Gleichheitsrecht ist der Beschwerdeführer also durch den bekämpften Bescheid nicht verletzt worden.

D. Sonst hat der Beschwerdeführer nichts geltend gemacht. Der Beschwerdeführer ist in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

VfGH 5654

Eine religiöse Gemeinschaft, die kein Verein und keine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft (Art. 15 StGG.) ist, hat keine Rechtspersönlichkeit. Zurückweisung der Beschwerde

Beschl. v. 29. Februar 1968, B 409/67

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird keine Folge gegeben.

Begründung:

I. Mit dem Antrag vom 7. Februar 1967 an den Magistrat der Stadt Wien (dort eingelangt am 8. Februar 1967) haben Walther S. als 1. Vorsitzender und Wilma S. als Mitarbeiterin zur Erteilung von Lebenskundeunterricht im Namen der religiösen Gemeinschaft „Österreichische Freunde der Gotterkenntnis (Ludendorff)” (im folgenden nur: Gemeinschaft) unter Hinweis auf die in dem Antrag wiedergegebenen „Richtlinien” dieser Gemeinschaft, von denen gesagt wurde, sie seien in einer Versammlung am 28. November 1966 neu gefaßt und am 2. Dezember 1966 der Bundespolizeidirektion Wien zur Kenntnis gebracht worden, den Landeshauptmann von Wien ersucht, in Analogie zu § 9 des Vereinsgesetzes 1951 den rechtlichen Bestand dieser Gemeinschaft zu bescheinigen. Als Rechtsgrundlage wurde § 26 ABGB. angeführt, der auch für gesetzlich nicht anerkannte Religionsgenossenschaften Anwendung zu finden habe. Der Landeshauptmann von Wien hat mit dem Bescheid vom 27. Februar 1967 den von den genannten Personen im Namen der Gemeinschaft eingebrachten Antrag gemäß §§ 1 und 2 AVG. 1950 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die „Gemeinschaft” die Berufung eingebracht. Am 27. September 1967 erging der nunmehr den Gegenstand der Verfassungsgerichtshofbeschwerde bildende Berufungsbescheid des Bundesministers für Unterricht. Er gab in der „Verwaltungssache des Walther S…. wegen einer Bestandsbescheinigung für die Österreichischen Freunde der Gotterkenntnis (Ludendorff)’ ” der Berufung des Walther S. keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien mit der Maßgabe, daß der letzte Satzteil des Spruches („wird gemäß … wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.”) zu lauten habe: „wird gemäß §§ 1 und 2 AVG. 1950 und im Grunde des § 8 des zitierten Gesetzes wegen sachlicher Unzuständigkeit der angerufenen Behörde und mangels Parteistellung des Einschreiters zurückgewiesen.”

In der Begründung wird ausgeführt, daß den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses keine Rechtspersönlichkeit im Rahmen der bestehenden kultusrechtlichen Vorschriften zukomme und daß demnach der Gemeinschaft die Parteifähigkeit im Sinne des § 8 AVG. 1950 (richtig: § 9 AVG. 1950) fehle. Obwohl der Berufungsbescheid an mehreren Stellen Walther S. als Berufungswerber bezeichnet, nimmt der Verfassungsgerichtshof an, daß es sich um ungenaue Formulierungen handelt und daß die Berufungsentscheidung doch nur als eine Erledigung der Berufung, so wie sie eingebracht worden war, aufzufassen ist, also als die Entscheidung über die Berufung der Gemeinschaft.

II. Vor einer Befassung mit dem Inhalt des Berufungsbescheides hatte sich der Verfassungsgerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Gemeinschaft, die die Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht hat, Rechtspersönlichkeit genießt.

Diese Frage war zu verneinen. Im vorliegenden Rechtsfall ist es nicht streitig, daß die Gemeinschaft kein Verein und keine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft (Art. 15 StGG.) ist. Auch aus § 26 ABGB., der nur von erlaubten Gesellschaften spricht, kann die Rechtssubjektivität der beschwerdeführenden Gemeinschaft nicht abgeleitet werden. Der Verfassungsgerichtshof kann einer Auffassung, daß einem bloßen Zusammenschluß von mehreren Personen aus dem Grunde der Erlaubtheit Rechtspersönlichkeit zukomme, nicht beitreten.

Da im Beschwerdefall ausschließlich die Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft Gegenstand des Verfahrens war, erschien es nicht möglich, die Beschwerde den einzelnen für die Gemeinschaft auftretenden Personen zuzurechnen.

Im § 19 Abs. 3 Z. 1 VerfGG. 1953 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 185/1964 wird zwar der Fall der von einer prozeßunfähigen Partei eingebrachten Beschwerde nicht genannt, doch ist dieser Fall jedenfalls einer Beschwerde gleichzustellen, die an dem Mangel der Legitimation leidet (§ 1.9 Abs. 3 Z. 1 lit. e VerfGG. 1953 in der bezogenen Fassung).

Die Beschwerde war sohin aus diesem Grunde ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konnte keine Folge gegeben werden, weil diese nur verfügt werden darf, wenn der Verfassungsgerichtshof gefunden hat, daß eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht stattgefunden hat, somit nicht in den Fällen der Zurückweisung einer Beschwerde.

VfGH 5583

Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse, RGBL Nr. 49/1868; diese Vorschrift ist im Jahre 1939 außer Kraft getreten (Verordnung über die Einführung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung im Lande Österreich, GBI. für das Land Österreich Nr. 377/1939); unter „Religion” oder „Religionsbekenntnis” im Sinne des Art. 1 und 2 ist auch die Konfessionslosigkeit zu verstehen. Durch eine gesetzwidrige bescheidmäßige Feststellung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche wird das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG.) verletzt. Verletzung des Rechtes auf Glaubens- und Gewissensfreiheit

Erk. v. 9. Oktober 1967, B 122/67

Der Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

A. Der Beschwerdeführer ist am 14. Juni 1924 als Kind konfessionsloser Eltern in Wien geboren worden. Er ist am 27. Februar 1934 in der röm. kath. Pfarre R. in Wien nach röm. kath. Ritus getauft worden. Im Jahre 1946 wurde er in der Pfarre W. in Wien nach röm. kath. Ritus getraut. Am 24. August 1966 hat der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien die Erlassung eines Feststellungsbescheides über seine Religionszugehörigkeit beantragt. Die Erzdiözese Wien der röm. kath. Kirche habe gegen ihn bei Gericht eine Klage betreffend die Zahlung rückständiger Kirchenbeiträge eingebracht. Er, der Beschwerdeführer, betrachte sich aber als konfessionslos.

Der Magistrat der Stadt Wien hat mit Bescheid vom 29. Dezember 1966 festgestellt, daß der Beschwerdeführer der röm. kath. Kirche nicht angehört. Dagegen hat die Erzdiözese Wien berufen. Der Bundesminister für Unterricht hat mit Bescheid vom 27. Februar 1967 den erstinstanzlichen Bescheid abgeändert und ausgesprochen:

„Gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBL Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, wird in Verbindung mit den bis zum 28. Februar 1939 geltenden Art. 1 und 2 des zitierten Gesetzes (vgl. § 3 der Verordnung vom 1. März 1939 über die Einführung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung im Lande Osterreich, GBI. für das Land Osterreich Nr. 377/1939) festgestellt, daß Dr. Walter D. seit 27. Februar 1934 mit Wirkung für den staatlichen Bereich der römisch-katholischen Kirche angehört.”

Dagegen richtet sich die Beschwerde.

B. Die Legitimation zur Beschwerdeführung ist — entgegen der Meinung der belangten Behörde — gegeben. Es ist nämlich keineswegs ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in irgendeinem subjektiven Recht — es muß dies kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes sein — verletzt worden sein kann; nur darauf kommt es aber an (vgl. die langjährige Rechtsprechung; z. B. Erk. Slg. Nr. 3425/1958, 4305/1962).

C. I. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG.) verletzt worden zu sein.

Hierüber hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Im Gesetz vom 25. Mai 1868, RGBL Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, lauteten die beiden ersten Artikel:

„Art. 1. Eheliche oder den ehelichen gleichgehaltene Kinder folgen, sofern beide Eltern demselben Bekenntnisse angehören, der Religion ihrer Eltern.

Bei gemischten Ehen folgen die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der Religion der Mutter. Doch können die Ehegatten vor oder nach Abschluß der Ehe durch Vertrag festsetzen, daß das umgekehrte Verhältnis stattfinden solle, oder daß alle Kinder der Religion des Vaters oder alle der der Mutter folgen sollen.

Uneheliche Kinder folgen der Religion der Mutter.

Im Falle keine der obigen Bestimmungen Platz greift, hat derjenige, welchem das Recht der Erziehung bezüglich eines Kindes zusteht, das Religionsbekenntnis für solches zu bestimmen.

Reverse an Vorsteher oder Diener einer Kirche oder Religionsgenossenschaft oder an andere Personen über das Religionsbekenntnis, in welchem Kinder erzogen und unterrichtet werden sollen, sind wirkungslos. Art. 2 Das nach dem vorhergehenden Artikel für ein Kind bestimmte Religionsbekenntnis darf in der Regel so lange nicht verändert werden, bis dasselbe aus eigener freier Wahl eine solche Veränderung vornimmt. Es können jedoch Eltern, welche nach Art. 1 das Religionsbekenntnis der Kinder vertragsmäßig zu bestimmen berechtigt sind, dasselbe bezüglich jener Kinder ändern, welche noch nicht das siebente Lebensjahr zurückgelegt haben.

Im Falle eines Religionswechsels eines oder beider Elternteile, bzw. der unehelichen Mutter, sind jedoch die vorhandenen Kinder, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in betreff des Religionsbekenntnisses ohne Rücksicht auf einen vor dem Religionswechsel abgeschlossenen Vertrag so zu behandeln, als wären sie erst nach dem Religionswechsel der Eltern, bzw. der unehelichen Mutter geboren worden.

Wird ein Kind vor zurückgelegtem siebentem Jahre legitimiert, so ist es in betreff des Religionsbekenntnisses nach Art. 1 zu behandeln.-

Diese Vorschrift ist erst im Jahre 1939 außer Kraft getreten (Verordnung über die Einführung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung im Lande Österreich, GBL für das Land Osterreich Nr. 377/ 1939). Der bekämpfte Bescheid ist also — soweit es dabei um die Feststellung damaliger Rechtsverhältnisse geht — an Art. 1 und 2 leg. cit. zu messen.

2. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer — wohl im Hinblick auf den oben wiedergegebenen ersten Absatz des Art. 1 leg. cit. — bis zur Taufe im Jahre 1934 konfessionslos gewesen ist. Durch die Taufe sei der Beschwerdeführer aber — auch mit Wirksamkeit für den staatlichen Bereich —Angehöriger der röm. kath. Kirche geworden. Der Ausdruck „Das Religionsbekenntnis … ändern” im Art. 2 erster Absatz des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse habe denselben Inhalt wie der Ausdruck „Religionswechsel” im zweiten Absatz des zitierten Art. 2. Nur ein Religionswechsel werde also durch Art. 2 für Kinder ab der Vollendung des siebenten Lebensjahres ausgeschlossen. Der Eintritt einer Person, die bisher immer konfessionslos gewesen ist, in eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft sei kein Religionswechsel. Hier habe der Vater des Beschwerdeführers einer, wenn auch sanktionslosen, gesetzlichen Verpflichtung, nämlich der Verpflichtung zur Religionsbestimmung nach § 139 ABGB. genügt. Diese Verpflichtung sollte schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse durch dessen Art. 2 Abs. 1 niemals inhibiert werden. Dieser Meinung vermag der Verfassungsgerichtshof aus den in den nachstehenden Ausführungen dargelegten Gründen nicht beizupflichten.

a) Das Wort „Religionsbekenntnis” im Art. 2 leg. cit. hatte keinen anderen Inhalt als dasselbe Wort im Art. 1 leg. cit.; denselben Inhalt hatten aber auch die Worte „Bekenntnis” und „Religion” im Art. 1.

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der in den Art. 1 und 2 getroffenen Regelung, die ein einheitliches Ganzes war.

b) Unter „Religion” oder „Religionsbekenntnis” im Sinne dieser Regelung ist auch die Konfessionslosigkeit zu verstehen.

Dies ist vor allem aus dem Zweck der Regelung zu erschließen, den Status der Kinder in Beziehung auf das Religionsbekenntnis zur Gänze zu ordnen. Dazu gehört notwendigerweise nicht nur die Zugehörigkeit zu einer durch ein konkretes religiöses Bekenntnis bestimmten Gruppe von Menschen, sondern auch die Zugehörigkeit zu der durch die Verneinung jeglichen religiösen Bekenntnisses bestimmten Gruppe.

Andernfalls hätte das Gesetz einen dem Art. 14 StGG. widersprechenden Inhalt gehabt. Es wären sonst z. B. die konfessionslosen Eltern gemäß dem vierten Absatz des Art. 1 gezwungen gewesen, für ihr Kind entgegen ihrer Überzeugung ein konkretes Religionsbekenntnis zu bestimmen. Dem Gesetz kann daher ein solcher Inhalt nicht beigemessen werden.

Die getroffene Feststellung wird außerdem noch durch den Umstand unterstrichen, daß andernfalls in der Regelung sachlich nicht begründbare Differenzierungen gelegen wären, die bewirkt hätten, daß die Vorschrift im Hinblick auf das Gleichheitsgebot verfassungswidrig gewesen wäre. Es hätte z. B. zwar für ein konfessionsloses Kind nach Vollendung des siebenten Lebensjahres ein bestimmtes Religionsbekenntnis gewählt werden können; es dürfte aber ein einer Religion angehörendes Kind zwischen der Vollendung des siebenten und des vierzehnten Lebensjahres nicht aus der Religion austreten, also auch zu keiner anderen überwechseln. Auch aus diesem Grund muß die Vorschrift so, wie oben umschrieben, ausgelegt werden.

c) Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer von Geburt an konfessionslos war und daß die Taufe im Jahre 1934— der Beschwerdeführer hätte damals wohl bereits das siebente Lebensjahr, nicht aber auch schon das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt — gemäß Art. 2 leg. cit. ohne Wirkung für den staatlichen Bereich geblieben ist.

d) Die vorstehenden Ausführungen entsprechen der seinerzeitigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes.

So geht z. B. aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes SIg. Nr. 797/1927 hervor, daß die „Abkehr von jeder in religionsgenossenschaftlichem Verbande sichtbar in Erscheinung tretenden Ideengemeinschaft in Weltanschauungsfragen … bei Anwendung des Art. 2 Abs. 2 des 1868iger Gesetzes gleichzuwerten” ist dem „Bekenntnis zu einer positiven Religion”. Im Erk. SIg, Nr. 800/1927 heißt es, um ein weiteres Beispiel zu zitieren: „Der Glaube an die Lehre einer Religion setzt die Fähigkeit voraus, diese Lehren geistig zu fassen; diese Erkenntnis kann nur allmählich mit der Entwicklung des Verstandes und der Vernunftskräfte des Einzelnen vor sich gehen, und da auch das Gewissen als Richtschnur des menschlichen Handelns erst beim vernünftig denkenden Menschen eingreift, kann das Kind erst dann das Recht der Glaubens- und Gewissensfreiheit betätigen, wenn es in ein Alter gekommen ist, das bei normaler Entwicklung seiner geistigen Fähigkeit ihm die Urteilsfähigkeit gegeben hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist eine selbständige Ausübung des Rechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht möglich; rechtsgültige Verfügungen über die konfessionellen Verhältnisse der Kinder sind nur insoweit zulässig, als das Gesetz selbst Bestimmungen getroffen und gewissen Personen (Eltern und Erziehungsberechtigten) ein Recht hiezu eingeräumt hat. Daß dieses Recht, namens der Kinder rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben — das übrigens auch auf anderen Rechtsgebieten kein unbeschränktes ist —auch auf diesem Gebiete nicht unbeschränkt sein kann, ergibt sich schon daraus, daß die Betätigung der eigenen vollen Freiheit auf dem Gebiete religiöser Überzeugungen vermöge des höchstpersönlichen Charakters dieser Rechte keineswegs als Betätigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des Kindes aufgefaßt werden kann und nicht die Verfügungsfreiheit über das Bekenntnis des Kindes umfaßt, sondern nur so weit besteht und so weit reicht, als das Gesetz bestimmt … Im Alter zwischen sieben und vierzehn Jahren soll die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Kindes schon aus Rücksichten der Erziehung im Interesse der Religionsfreiheit geschützt werden, u. zw. nötigenfalls auch gegenüber den Eltern, wenn diese durch Zwang in die konfessionelle Einstellung ihrer Kinder durch die in ihrer Vertretung abgegebenen Erklärungen eingreifen wollten.”

Es beruhen weiters u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 13.429 A/1924, 14.729 A/1927 und 16.712 A/1931 auf der Feststellung, daß der Übertritt zur Konfessionslosigkeit auchein Religionswechsel im Sinne der in Rede stehenden Vorschriften des Gesetzes aus dem Jahre 1868 ist.

Allen diesen Erkenntnissen liegt — ausgesprochen oder unausgesprochen — die Annahme zugrunde, daß auch die Konfessionslosigkeit als Religion im Sinne der genannten Gesetzesstelle anzusehen ist.

Rechtsirrig wäre es, diese Annahme nur für einen bestimmten Teil der in den oben wiedergegebenen Art. 1 und 2 enthaltenen Regelung gelten zu lassen.

Gerade das hat aber die belangte Behörde getan. Sie ist nämlich davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer offenbar im Hinblick auf die Konfessionslosigkeit seiner Eltern von Geburt aus konfessionslos war; sie ist also davon ausgegangen, daß . seinerzeit eine Norm existierte, die besagte, daß Kinder konfessionsloser Eltern der Konfessionslosigkeit der Eltern folgen, wie sie ansonsten der Religion der Eltern folgen. Diese Norm kann nur in Art. 1 erster Satz leg. cit. gefunden, bzw. — falls eine Gesetzeslücke als gegeben angenommen wird — nur aus dieser Gesetzesstelle abgeleitet werden. Diesbezüglich wurden also „Religion” und „Konfessionslosigkeit” gleichgehalten. Damit unvereinbar ist die belangte Behörde aber dann zur Annahme gekommen, im Bereiche des Art. 2 leg. cit. seien „Religion” und „Konfessionslosigkeit” nicht gleichzuhalten.

e) An der getroffenen Feststellung vermag der Hinweis der belangten Behörde auf § 139 ABGB. nichts zu ändern. Aus dieser Gesetzesstelle ist nämlich für die hier in Rede stehende Frage (Bestimmung der Religionszugehörigkeit) nichts zu gewinnen.

3. Der Beschwerdeführer ist seit Vollendung seines vierzehnten Lebensjahres niemals rechtswirksam der röm. kath. Kirche beigetreten. Gegenteiliges wurde im Verfahren nicht behauptet. Insbesondere wurde weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof behauptet, der Beschwerdeführer habe durch seine kirchliche Trauung im Jahre 1946 einen Kirchenbeitritt vollzogen.

4. Der Beschwerdeführer gehört demnach der röm. kath. Kirche nicht an. Die gegenteilige Feststellung der belangten Behörde ist gesetzwidrig.

5. Durch eine gesetzwidrige bescheidmäßige Feststellung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche wird aber das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG.) verletzt.

Allein schon aus diesem Grunde war der bekämpfte Bescheid aufzuheben.

VfGH 5555

Verordnung des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 29. September 1905, RGBL Nr. 159, womit eine definitive Schul- und Unterrichtsordnung für allgemeine Volksschulen und für Bürgerschulen erlassen wird; zum Inhalt des § 90 Abs. 1 Z. 2; diese Vorschrift steht — auch soweit es sich um die Worte „Religionsbekenntnis” handelt — außerhalb jedes Zusammenhanges mit Art. 14 StGG., Art. 63 Abs. 2 und Art. 67 des Staatsvertrages von St. Germain oder Art. 9 Abs. 1 und 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Keine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Religions- und Bekenntnisfreiheit oder der Freiheit zur Ausübung einer Weltanschauung

Erk. v. 27. September 1967, B 168/67

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Entscheidungsgründe:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Unterricht vom 22. März 1967 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung der Bezeichnung „Gotterkenntnis (Ludendorff)” als religiöses Bekenntnis in die Schulzeugnisse seiner Kinder Almuth, Elke, Wieland und Gunhild S. gemäß § 90 der definitiven Schul- und Unterrichtsordnung, RGBL Nr. 159/1905, abgewiesen.

Diesen Bescheid ficht Walther S. als Vater und gesetzlicher Vertreter seiner genannten ehelichen Kinder wegen Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG.), der Art. 63 Abs. 2 und 67 des Staatsvertrages von St. Germain und des Art. 9 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. Nr. 210/1958 und BGBl. Nr. 59/1964) an.

Hierüber hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

Nach Art. 14 StGG. ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines anderen untersteht.

Art. 63 Abs. 2 des Staatsvertrages von St. Germain bestimmt, daß alle Einwohner Österreichs das Recht haben, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist. Nach Art. 67 dieses Staatsvertrages genießen österreichische Staatsangehörige, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, dieselbe Behandlung und dieselben Garantien, rechtlich und faktisch, wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen; insbesondere haben sie dasselbe Recht, auf ihre eigenen Kosten Wohltätigkeits-, religiöse oder soziale Einrichtungen, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu errichten, zu verwalten und zu beaufsichtigen, mit der Berechtigung, in denselben ihre eigene Sprache nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei zu üben.

Nach Art. 9 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. Nach Abs. 2 darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

Nach § 90 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 29. September 1905, RGBl. Nr. 159, womit eine definitive Schul- und Unterrichtsordnung für allgemeine Volksschulen und für Bürgerschulen erlassen wird, hat die Schulnachricht, „den Vor- und Zunamen, die Geburtsdaten und das Religionsbekenntnis des Schulkindes” zu enthalten.

Diese Vorschrift steht außerhalb jeden Zusammenhanges mit den genannten verfassungsrechtlichen Vorschriften. Ihr Bestehen ist kein Ausfluß von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und ein Fehlen dieser Vorschrift würde keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht Abbruch tun. Durch den angefochtenen Bescheid wird die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Religions- und die Bekenntnisfreiheit und die Freiheit zur Ausübung einer Weltanschauung in keiner Weise berührt. Zur Debatte steht lediglich, ob die Behörde den Begriff „Religionsbekenntnis”, den die Schul- und Unterrichtsordnung verwendet, richtig ausgelegt hat. Wenn man annimmt, daß diese Vorschrift überhaupt ein subjektives öffentliches Recht gewährt, dann hätte die Behörde, wenn sie den Ausdruck „Religionsbekenntnis” unrichtig ausgelegt hätte, nur ein einfachgesetzliches Recht verletzt. Diese Angelegenheit reicht in die Verfassungssphäre nicht hinein.

Es besteht daher kein Anlaß, Erörterungen über die Rechtsstufenqualität der Verordnung — einige ihrer Bestimmungen sind durch das Schulpflichtgesetz, BGBl. Nr. 241/1962 (§ 29 Abs. 2 lit. b), aufgehoben worden — anzustellen. Weil es sich nur um einfachgesetzliche Fragen handelt, ist es auch nicht von Belang, ob eine Vorschrift über den Inhalt eines Zeugnisses eine Angelegenheit der „inneren Ordnung” ist, was wohl die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungsstelle zur Folge hätte, oder ob die angeführte gesetzliche Grundlage nicht hinreicht, die Verordnung zu rechtfertigen. Aus dem gleichen Grunde hatte sich der Verfassungsgerichtshof nicht mit dem Erlasse des Staatsamtes für Inneres vom 14. Dezember 1945, Zl. 48.124-9/1945, dem Erlasse des Bundesministeriums für Inneres vom 22. Juni 1946, Zl. 32.537-9/1946, und vom 23. Jänner 1954, Zl. 20.328-9/1954 (vgl. Klecatsky-Weiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, S. 96 bis 99), die die Darlegung des Begriffes „Religiöses Bekenntnis” zum Inhalt haben, auf ihre inhaltliche Richtigkeit (Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften) zu prüfen.

Es ist offenbar, daß durch den angefochtenen Bescheid kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt wurde. Es konnte daher ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung die Abweisung der Beschwerde beschlossen werden (§§ 19 Abs. 4 Z. 1 und 31 VerfGG. 1953 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 185/1964).

VfGH 5007

Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen, GBI. f. d. Land Österreich Nr. 543/1939; /1939; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 3 Abs. 1, der weiterhin geltendes Recht ist. Die österreichische Verfassung verbietet nicht, die Entscheidung über öffentlich-rechtliche Verhältnisse den Gerichten zu übertragen. Eine gesetzliche Regelung, gemäß der der Staat einer Kirche seinen Beistand bei Einbringung von Kirchenbeiträgen einräumt, greift nicht in die inneren Angelegenheiten der Kirche ein. Art. XIV des Konkordates, BGBl. II Nr. 2/1934, und das Kirchenbeitragsgesetz schließen einander nicht aus; die Bestimmung des Zusatzprotokollen zu Art. XIV des Konkordates ist im Hinblick auf Art. II Abs. 4 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960, nicht mehr geltendes Recht. Keine Verletzung des Rechtes auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Erk. v. 29. Juni 1965, B 67/65

Die Beschwerde wird abgewiesen und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Entscheidungsgründe :

I. Dr. A. An. hat beim Magistrat der Bundeshauptstadt Wien den Antrag gestellt, bescheidmäßig auszusprechen: „Der Antragsteller als Angehöriger des glagolitischen Ritus der katholischen Kirche ist nicht verpflichtet, an die Erzdiözese Wien rit. lat. Kirchenbeiträge nach den Bestimmungen des Kirchenbeitragsgesetzes (der Kirchenbeitragsverordnung, der Kirchenbeitragsordnung) zu zahlen.” Der gegen die Zurückweisung dieses Antrages erhobenen Berufung ist vom Bundesminister für Unterricht mit Bescheid vom 16. Jänner 1965 keine Folge gegeben worden.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde des Dr. A. An.

II. Der Beschwerdeführer macht geltend, durch den bekämpften Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden, verletzt worden zu sein. Er ist der Meinung, die belangte Behörde habe die Zuständigkeit, über den Antrag zu entscheiden, rechtswidrigerweise abgelehnt. Die Regelung des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen, GBI. für das Land Österreich Nr. 543/1939 (in den weiteren Ausführungen kurz bezeichnet: KBG.), gelte nicht mehr. Ihr sei durch die Bestimmungen des Art. XIV des Konkordates, BGBl. II Nr. 2/1934, und die Bestimmungen des Zusatzprotokolles zu diesem Art. XIV derogiert worden, die durch den Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960 (im folgenden kurz bezeichnet: Vermögensvertrag 1960), „ex novo wirksam” geworden seien. Nach den zitierten Bestimmungen des Zusatzprotokolles seien nun aber die Behörden der staatlichen Kultusverwaltung im ordentlichen Instanzenzug zur Entscheidung über Streitigkeiten betreffend Verpflichtungen zu Leistungen an Geld zuständig, wenn die Leistung aus dem allgemeinen Grund der Zugehörigkeit zu einem kirchlichen Verband in Anspruch genommen wird.

Hierüber hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Durch das Rechts-Überleitungsgesetz ist im Jahre 1945 die Bestimmung des § 3 Abs. 1 KBG. Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden. Gemäß dieser Gesetzesstelle werden die Kirchenbeiträge von den im § 1 genannten Kirchen festgesetzt und erhoben; die Entscheidung über Kirchenbeitragsstreitigkeiten wird den Gerichten zugewiesen (vgl. Erkenntnis Slg. Nr. 3039/1956). Alle anderen Verpflichtungen, soweit sie nicht auf privaten Patronaten oder auf Privatrechtstiteln beruhen, sind aufgehoben worden; alle dem KBG. entgegenstehenden Bestimmungen haben zu bestehen aufgehört (§§ 5 und 6 KBG.). Die Kirchenbeiträge sind dann auch tatsächlich danach erhoben worden.

An dieser Rechtslage hat sich bis zum Abschluß des Vermögensvertrages 1960 nichts geändert. Die Regelung des Art. II Abs. 4 des Vermögensvertrages 1960 besagt nun, daß „die Kirchenbeiträge” weiter eingehoben werden; es handelt sich dabei um die Kirchenbeiträge gemäß dem KBG. Dies ergibt sich allein schon aus dem Wortlaut der Bestimmung im deutschen Text des Vertrages. Den Begriff „Kirchenbeiträge” hat es nämlich in der früheren österreichischen Rechtsordnung nicht gegeben. Die frühere österreichische Rechtsordnung kannte nur den Begriff „Umlagen” (vgl. Art. XIV des Konkordates; § 36 des Gesetzes RGBI. Nr. 50/1874 in Verbindung mit dem Gesetz RGBI. Nr. 7/1895). Dazu kommt, daß durch den bestimmten Artikel „die” vor „Kirchenbeiträge” unterstrichen wird, daß jene Kirchenbeiträge „weiter” eingehoben werden, die bereits nach der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Rechtslage einzuheben waren. Es muß schließlich auch noch angenommen werden, daß die Regelung des Art. II Abs. 4 des Vermögensvertrages 1960 anders gefaßt worden wäre, sollte damit die bestehende Rechtslage verändert und nicht bloß zum Ausdruck gebracht werden, daß hinsichtlich der Kirchenbeiträge eine Änderung durch den Vertrag nicht herbeigeführt wird. § 3 Abs. 1 KBG. ist demnach weiterhin geltendes Recht.

2. An dieser Feststellung vermag die Behautpung des Beschwerdeführers, Art. 15 StGG. habe dem § 3 Abs. 1 KBG. im Jahre 1945 derogiert, nichts zu ändern. Entgegen der damit zum Ausdruck gebrachten Meinung des Beschwerdeführers greift nämlich eine gesetzliche Regelung, gemäß der der Staat einer Kirche seinen Beistand bei Einbringung von Kirchenbeiträgen einräumt, nicht in die inneren Angelegenheiten der Kirche ein. Es liegt bei der Kirche, von der Möglichkeit, die Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen, Gebrauch zu machen oder nicht. Nimmt die Kirche die staatliche Hilfe in Anspruch, so handelt sie nicht in ihrem inneren Bereich sondern außerhalb desselben (vgl. Slg. Nr. 3816/1960). Schon allein aus diesem Grunde kann die vermeintliche Derogation nicht Platz gegriffen haben.

3. An der unter Z. 1 getroffenen Feststellung ändert weiters der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Bestimmungen des Art. XIV des Konkordates und die entsprechenden Bestimmungen des Zusatzprotokolles nichts.

Art. XIV des Konkordates, gemäß der der Kirche das Recht zur Einhebung von Umlagen grundsätzlich zukommt, wobei die Kirche im Einvernehmen mit der Staatsgewalt vorzugehen hat, und das KBG. schließen nämlich einander nicht aus.

Die Bestimmung des Zusatzprotokolles zu Art. XIV des Konkordates, enthaltend die Zustimmung der Kirche, daß Streitigkeiten über Verpflichtungen zu Leistungen an Geld- oder Geldeswert für Kultuszwecke, wenn eine solche Leistung aus dem allgemeinen Grund der Zugehörigkeit zu einem kirchlichen Verband in Anspruch genommen wird „bis zu einer einvernehmlichen Neuregelung” von den Behörden der staatlichen Kultusverwaltung entschieden werden, ist aber schon zumindest deswegen nicht mehr geltendes Recht, weil durch Art. II Abs. 4 des Vermögensvertrages 1960 die im Zusatzprotokoll vorgesehene einvernehmliche Neuregelung nunmehr jedenfalls erfolgt ist (vgl. die Ausführungen unter Z. 1).

4. Bedenken, daß § 3 Abs. 1 KBG. deswegen verfassungswidrig sein könnte, weil — wie der Beschwerdeführer meint. — die Entscheidung über öffentlichrechtliche Verhältnisse (um solche handle es sich hier) nicht den Gerichten übertragen werden dürfte, sind nicht entstanden. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers enthält nämlich die österreichische Verfassung kein solches Verbot.

5. Es gibt somit keine die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers begründende gesetzliche Vorschrift. Es gilt vielmehr die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KBG., gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstanden sind.

Der Antrag des Beschwerdeführers ist demnach zu Recht zurückgewiesen worden. Also wurde der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt. Sonst hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht. Das Verfahren hat die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht ergeben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

VfGH 4955

Die Durchführung der Wahlen in den Vorstand einer israelitischen Kultusgemeinde ist eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft. Keine Zuständigkeit der Staatsverwaltung hiebei

Beschl. v. 18. März 1965, B 32/65

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung:

Am 20. Dezember 1964 fand die Wahl des Kultusvorstandes der israelitischen Kultusgemeinde Wien statt. Da der Beschwerdeführer als Angehöriger der israelitischen Kultusgemeinde nicht in die Wählerliste aufgenommen worden war, brachte er dagegen eine Reklamation (§ 9 der Wahlordnung für die Wahl des Kultusvorstandes) bei der Reklamationskommission ein. Die Reklamationskommission wies die Reklamation mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer mit der Zahlung der Kultussteuer im Verzug unddeshalb vom aktiven Wahlrecht gemäß § 10 Abs. 2 der zitierten Wahlordnung ausgeschlossen sei. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Wahlausschuß. Dieser wies mit Schreiben vom 15. Dezember 1964 die Berufung des Beschwerdeführers aus den bereits von der Reklamationskommission angeführten Gründen ab.

Gegen das Schreiben des Wahlausschusses der israelitischen Kultusgemeinde Wien vom 15. Dezember 1964 erhob der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B-VG. gestützte Beschwerde wegen Verletzung des durch Art. 9 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Zusatzprotokoll verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Religionsfreiheit.

Der Beschwerdefall betrifft die Durchführung einer Wahl des Kultusvorstandes der israelitischen Kultusgemeinde Wien. Dabei hat die Staatsverwaltung weder nach dem Gesetz vom 21. März 1890, RGBI. Nr. 57, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, noch nach dem Statut bzw. nach der Wahlordnung der israelitischen Kultusgemeinde Wien staatliche Befugnisse wahrzunehmen. Ein Fall des § 32 des Gesetzes vom 21. März 1890, RGBI. Nr. 57, liegt nicht vor. Daraus ergibt sich, daß die Durchführung der Wahlen eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft ist (vgl. Erk. des VerfGH. Slg. Nr. 3816/1960). Das vom Beschwerdeführer angefochtene Schreiben ist daher kein Bescheid einer Verwaltungsbehörde. Die Beschwerde richtet sich sohin gegen eine Maßnahme, deren Überprüfung nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt. Damit ist die Zurückweisung der Beschwerde gemäß § 19 Abs. 3 Z 1 lit. a VerfGG. 1953 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 185/1964 begründet.