VfGH 4798

Konkordat, BGBl. II Nr. 2/1934; aus dem Aufsichtsverhältnis im Sinne des Art. XIII § 2 ist eine Befugnis, Ansprüche namens des den dort genannten kirchlichen Rechtssubjekten gehörenden Vermögens im Verwaltungsverfahren geltend zu machen, nicht ableitbar. Die Ordinarii sind durch Canon 1653 § 5 CIC. außerhalb kirchengerichtlicher Prozesse nicht zur Vertretung des Vermögens kirchlicher Rechtssubjekte im Sinne des Art. XIII § 2 erster Satz des Konkordates berufen. Keine Verletzung des Rechtes auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Erk. v. 5. Oktober 1964, B 45/64

Die Beschwerde wird abgewiesen und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid vom 12. Juli 1962 hat die Bezirkshauptmannschaft J. gestützt auf § 49 Abs. 3 Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz, LGBI. Nr. 20/1938 und Nr. 49/1954, die Zustimmung zu einem Gemeindestraßenbauvorhaben der Gemeinde P. erteilt. Im Spruch des Bescheides heißt es unter anderem: „Mit den betroffenen Grundstückseigentümern sind von der Gemeinde P. die „ Grundablöseverhandlungen durchzuführen”. Zu diesen notwendigen Grundstückseigentümern gehört auch die römisch-katholische Pfarrpfründe P.

Dagegen hat das „Bischöfl. Seckauer Ordinariat—Rechtsamt” Berufung erhoben, u. zw. „auch namens der unterstehenden Pfarrpfründe P. (Canon 1653 § 5 in Verbindung mit Artikel XIII geltendes Konkordat)”.

Die Berufung des Ordinariates ist von der Landesregierung mit Bescheid vom 4. Jänner 1964 zurückgewiesen worden; das Ordinariat habe in der Sache keine Parteirechte, daher auch kein Berufungsrecht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Ordinarius der Diözese G.-S.

Die Pfarrpfründe hat keine Beschwerde erhoben. Der Ordinarius hat die Beschwerde nur im eigenen Namen eingebracht. Er behauptet, durch den bekämpften Bescheid sei sein ihm selbst verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden. In der Beschwerde wird nicht behauptet, es sei ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht der Pfarrpfründe verletzt worden. Soweit mit dem bekämpften Bescheid also auch die Berufung zurückgewiesen worden sein sollte, die durch das Ordinariat „namens” der Pfarrpfründe erhoben worden ist, die somit der Pfarrpfründe zuzurechnen ist, ist der Bescheid nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

II. 1. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den bekämpften Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden, verletzt worden zu sein. Die Berufung sei nämlich rechtswidrigerweise zurückgewiesen worden. Zwei Rechtsquellen seien es, aus denen die Parteistellung des Ordinarius im Verwaltungsverfahren erfließe :

a) Artikel XIII § 2 des Konkordates räume ihm in der Sache ein Konsensrecht ein; damit sei ein rechtliches Interesse geschützt, dessen Träger er sei, daher sei er auch Partei im Sinne des § 8 AVG.

b) Aus Canon 1653 § 5 des geltenden kirchlichen Rechtsbuches ergebe sich, daß der Ordinarius als unmittelbares Organ der Pfarrpfründe einschreiten könne, demnach habe er im Hinblick auf Art. XIII des Konkordates Parteistellung.

2. Hierüber hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

Wäre die Berufung des Beschwerdeführers rechtswidrigerweise zurückgewiesen worden, so wäre er verfassungswidrigerweise seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Dies trifft aber, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen, nicht zu.

a) § 2 im Art. XIII des Konkordates, BGBl. II Nr. 2/1934, in der Fassung des Art. VIII Abs. 2 des Vertrages, BGBl. Nr. 195/1960, lautet:

„Das Vermögen der kirchlichen Rechtssubjekte wird durch die nach dem kanonischen Rechte berufenen Organe verwaltet und vertreten; bei Orden und Kongregationen gilt für den staatlichen Bereich bei Abschluß von Rechtsgeschäften der Lokalobere und, soweit es sich um Rechtsgeschäfte höherer Verbände handelt, der Obere des betreffenden Verbandes als der berufene Vertreter.

Die Gebarung mit dem kirchlichen Vermögen findet unter Aufsicht und Kontrolle der zuständigen Kirchenbehörden oder Ordensoberen statt. Ohne deren Zustimmung kann solches Vermögen weder veräußert noch belastet werden”.

Im Zusatzprotokoll, das einen wesentlichen Bestandteil des Konkordates bildet, heißt es dazu :

„Der Heilige Stuhl wird die Diözesanordinarien anweisen, bei intabulationspflichtigen Rechtsgeschäften auf der Urkunde nach vorheriger Überprüfung eine Klausel beizusetzen, daß gegen die bücherlich einzutragende Berechtigung oder Verpflichtung kirchlicherseits kein Anstand obwaltet und daß die Vertreter der kirchlichen Rechtssubjekte, welche das Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, hiezu berufen waren.”

Danach haben also die Organe der Kirche, die nach dem kanonischen Recht zur Verwaltung und Vertretung des Vermögens der kirchlichen Rechtssubjekte berufen sind, dieses Vermögen auch im staatlichen Rechtsbereich zu verwalten und zu vertreten (die Sonderbestimmung betreffend die Orden und Kongregationen kann in diesem Zusammenhang unbeachtet bleiben). Die diesbezüglichen Vorschriften des kanonischen. Rechtes sind insbesondere in den Canones 1.518 bis 1543 betreffend die Verwaltung des Kirchengutes und betreffend die Verträge über Kirchengut enthalten. Danach hat der Ortsordinarius die Aufsicht über die Verwaltung zu führen (Can. 1519). Eine Veräußerung von Kirchengut darf’ nur vorgenommen werden, nachdem der zuständige kirchliche Obere seine Erlaubnis dazu erteilt hat — gewisse Ausnahmen sind vorgesehen — (Can. 1530). Dies gilt auch für alle Verträge, durch die die wirtschaftliche Lage eines kirchlichen Institutes verschlechtert werden könnte (Can. 1533). Die in Rede stehenden Rechtsakte betreffend das Kirchengut, bedürfen demnach zwar der Zustimmung der kirchlichen Oberen, sie werden aber allein durch die zur Verwaltung des Gutes berufenen Organe gesetzt. Für den staatlichen Bereich enthält der letzte Satz im zweiten Absatz des Art. XIII § 2 des Konkordates eine ähnliche Regelung. Das zur Verwaltung und Vertretung des Vermögens eines kirchlichen Rechtssubjektes berufene Organ darf ohne Zustimmung der kirchlichen Aufsichtsbehörde solches Vermögen weder veräußern noch belasten. Dadurch wird zwar der Inhalt der Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis des Organes gestaltet, es wird aber dadurch nicht die Aufsichtsbehörde zu einem das Vermögen mitverwaltenden und mitvertretenden Organ des kirchlichen Rechtssubjektes (als Vermögensträger), ihre Zustimmung hat lediglich die Feststellung zum Inhalt, daß „kein Anstand obwaltet” (vgl. die zitierte Stelle des Zusatzprotokollen). Sollte es im einzelnen Fall an der Zustimmung mangeln, so kann dieser Mangel wohl das materielle Wesen des Rechtsaktes berühren, er berührt aber nicht die Rechtsstellung der Aufsichtsbehörde. Der Verfassungsgerichtshof stimmt damit im Ergebnis mit dem Verwaltungsgerichtshof überein, der bereits mehrfach ausgeführt hat (Z1. 483/62-4 und 1518/62-1, vom 7. März 1963, sowie Slg. N. F. Nr. 3939/A vom 12. Jänner 1956 und Slg. N. F. Nr. 3371/A vom 6. April 1954), daß aus dem Aufsichtsverhältnis im Sinne des Art. XIII § 2 des Konkordates eine Befugnis, Ansprüche namens des den dort genannten kirchlichen Rechtssubjekten gehörenden Vermögens im Verwaltungsverfahren geltend zu machen, nicht abgeleitet werden kann. Erwähnt sei auch noch, daß der Verfassungsgerichtshof — entgegen der Meinung des Beschwerdeführers — im Erkenntnis vom 7. Dezember 1962, B 200/61, nichts Gegenteiliges ausgeführt hat.

Hier ist am Verwaltungsverfahren die Pfarrpfründe beteiligt. Weder die Diözese noch der Ordinarius sind am Verfahren unmittelbar beteiligt. Da der Ordinarius — wie aufgezeigt — kein Recht darauf hat, das Pfarrpfründenvermögen im Verwaltungsverfahren zu vertreten, ist er auch nicht mittelbar beteiligt. Wenn er aber am Verwaltungsverfahren überhaupt nicht beteiligt ist, dann kann er auch nicht Parteistellung haben, so daß ihm ein Berufungsrecht ebenfalls nicht zusteht.

Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob es in diesem Verwaltungsverfahren überhaupt um die Veräußerung oder Belastung kirchlichen Vermögens geht. Im Bescheid ist doch — wie oben dargestellt — von künftigen Grundablösungsverhandlungen die Rede; der Bescheid enthält außerdem nichts über die Notwendigkeit und das Ausmaß einer Enteignung.

b) Der § 5 im Canon 1653 CIC lautet:

„In casu vero defectus vel negligentiae illius qui administratoris munere fungitur, potent ipse loci Ordinarius per se vel per alium stare in iudicio nomine personarum moralium quae sub eius iurisdictione sunt”.

Bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Paderborn 1953, S. 94, ist der Inhalt der Stelle folgendermaßen in deutscher Sprache wiedergegeben:

„Hat eine moralische Person keinen Verwalter, oder kann bzw. will dieser sich um den Schutz ihrer Rechte nicht kümmern, dann kann der Ortsordinarius entweder die seiner Jurisdiktion unterstellten moralischen Personen vor Gericht vertreten, oder er kann mit dieser Vertretung einen anderen beauftragen.”

Die Gesetzesstelle steht im Vierten Buch (De processibus), dessen Erster Teil De iudiciis (bei Jone a. a. O.: Das kirchliche Gerichtswesen) handelt. §§ 1 und 2 des ersten Canon dieses Teiles (Can. 1552) lauten:

„§ 1. Nomine iudicii ecclesiastici intelligitur controversiae in re de qua Ecclesia ius habet cognoscendi, coram tribunali ecclesiastico, legitima disceptatio et definitio.

$ 2. Obiectum iudicii sunt:

1. ° Personarum physicarum vel moralium iura persequenda aut vindicanda, vel earundem personarum facta iuridica declaranda; et tunc iudicium est contentiosum;

2. ° Delicta in ordine ad poenam infligendam vel declarandam; et tunc iudicium est criminale.” In deutscher Sprache lautet die Wiedergabe bei Jone a. a. 0.:

„§ 1.

1. Dem Begriffe nach versteht man unter „kirchlichem Gericht” die vor einem kirchlichen Gerichtshof nach gesetzlich festgelegten Normen sich vollziehende Verhandlung und Entscheidung einer Streitfrage, die der richterlichen Gewalt der Kirche unterworfen ist.

§ 2.

Für die Einteilung der kirchlichen Gerichte ist der Gegenstand maßgebend, der verhandelt und entschieden wird.

n. 1.

Von einem Streitgericht spricht man, wenn es sich bei dem Gerichte um die Verfolgung oder um den Schutz gefährdeter oder verletzter Rechte physischer oder moralischer Personen handelt oder um Feststellung rechtlich erheblicher Tatsachen dieser Personen.

n. 2.

Bei einem Strafgericht handelt es sich um die Feststellung eines Deliktes zu dem Zwecke, eine Strafe zu verhängen oder zu erklären, eine vom Gesetze selbst verhängte Strafe sei bereits von selbst eingetreten.”

Die Sektion I dieses Ersten Teiles im Vierten Buch des CIC. ist mit „De iudiciis in genere” überschrieben, der I. Titel der Sektion lautet „De foro competenti”, der 11. Titel „De variis tribunalium gradibus et speciebus”, der III. Titel „De disciplina in tribunalibus servanda”, der IV. Titel „De partibus in causa”. Unter diesem IV. Titel befindet sich der oben im Wortlaut wiedergegebene Canon 1653 § 5.

Es ist offenkundig, daß das in dieser Gesetzesstelle normierte Vertretungsrecht des Ordinarius nur für das iudicum ecclesiasticum eingerichtet ist, das im Vierten Buch des CIC. geregelt ist. Es konnte keine Regelung gefunden werden, aus der sich ergibt, daß diese Spezialvertretungsbefugnis auch für Verfahren außerhalb des kirchlichen Gerichtsprozesses gilt. Im besonderen enthalten die oben zitierten Vorschriften des CIC. über die Verwaltung und die Veräußerung von Kirchengut (Canones 1518 bis 1543) darüber nichts. Schon gar nicht ist dem Konkordat diesbezüglich etwas zu entnehmen.

Die Ordinarii sind also durch Canon 1653 § 5 CIC. außerhalb kirchengerichtlicher Prozesse nicht zur Vertretung des Vermögens kirchlicher Rechtssubjekte im Sinne des Art. XIII § 2 erster Satz des Konkordates berufen. Der Meinung des Beschwerdeführers, die in Rede stehende Stelle des CIC. müsse auch im Verwaltungsverfahren vor staatlichen Behörden betreffend kirchliches Vermögen herangezogen werden, um eine bestehende Gesetzeslücke auszufüllen, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht beizupflichten. Es ist nämlich keine Gesetzeslücke ersichtlich. Wer das kirchliche Vermögen in diesem Falle zu vertreten hat, ist durch Art. XIII § 2 des Konkordates (vgl. die Ausführungen unter lit. a) in Verbindung mit den in Frage kommenden Bestimmungen des Kanonischen Rechts (im besonderen mit den bereits zitierten Canones 1518 bis 1543) lückenlos geregelt. Wenn der Beschwerdeführer etwa vermeint, die Gesetzeslücke bestehe darin, daß für den Fall rechtswidrigen oder unzweckmäßigen Handelns oder Unterlassens des zur Vertretung des Vermögens berufenen Organes nicht vorgesorgt ist, so muß ihm entgegengehalten werden, daß der Mangel einer solchen Vorsorge kein Mangel in der Regelung der Vertretungspflicht und der Vertretungsbefugnis ist.

Selbst wenn aber das Wort iudicium den Inhalt hätte, den ihm der Beschwerdeführer beimißt, wäre dadurch für seine Beschwerde nichts gewonnen. Durch die Handhabung des Canon 1653 § 5 CIC. wird nämlich die betreffende Sache nicht zu einer Sache des Ordinarius. Sie bleibt eine Sache der vertretenen moralischen Person, hier der Pfarrpfründe. Die zitierte Stelle des kirchlichen Gesetzbuches gibt dem Ordinarius kein Recht, im eigenen Namen aufzutreten. Gegenstand dieses Verfahrens ist aber — wie oben unter Abschnitt I dargestellt — nur die Zurückweisung der Berufung, die der Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben hat, nicht auch die Zurückweisung der Berufung, die namens der Pfarrpfründe erhoben worden ist.

c) Auch aus anderen Rechtsvorschriften kann nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer an dem in Rede stehenden Verwaltungsverfahren vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist (§ 8 AVG. 1950).

Die Berufung des Beschwerdeführers ist zu Recht zurückgewiesen worden.

Im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist der Beschwerdeführer also durch den bekämpften Bescheid nicht verletzt worden.

III. Da das Verfahren nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in irgendeinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist, war die Beschwerde abzuweisen.

VfGH 4697

Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, RGBI. Nr. 40/1872; keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen. Keine Verletzung des Gleichheitsrechtes, der Freiheit der Erwerbsausübung, der Freiheit der Meinungsäußerung, der Glaubens- und Gewissensfreiheit oder der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre

Erk. v. 5. Juni 1964, B 25/64

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. Dezember 1963 u. a. ausgesprochen, der Beschwerdeführer sei schuldig, die Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er

1. in Vertretung des Hofrates Dr. R. in einer beim Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt eingebrachten Rechtsmittel-Eingabe vom 20. Oktober 1955 vorbrachte : „Frau Dr. R. oder der Rechtsreferent des Magistrates sind da offenbar nur ad personam eingeschaltet und ergreifen per nefas zugunsten eines der Streitteile Partei;”

2. a) am 4. Juli 1956 beim Landesgericht Klagenfurt namens des minderjährigen Franz E., vertreten durch seine Mutter Cäcilia W., gegen die Erben nach Dr. Konrad R. eine Klage auf Zahlung eines Geldbetrages als Ersatz des Schadens aus einem Verkehrsunfall überreichte, obwohl er hiezu weder vom gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Franz E., dem Bezirksjugendamt St. Veit/Glan, noch auch von der Kindesmutter einen Auftrag erhalten hatte;

b) vom Prozeßgericht zum Nachweis der vormundschaftsbehördlichen Ermächtigung zur Prozeßführung aufgefordert, beim Bezirksgericht Klagenfurt namens des Minderjährigen gleichfalls ohne Auftrag des gesetzlichen Vertreters oder der Mutter um vormundschaftsbehördliche Genehmigung der Prozeßführung ansuchte;

c) gegen die Verweigerung der Genehmigung den Rekurs an das Landesgericht Klagenfurt und gegen dessen bestätigende Entscheidung an den Obersten Gerichtshof ergriff, obwohl sich im Genehmigungsverfahren sowohl das Bezirksjugendamt als auch die Mutter gegen die Prozeßführung ausgesprochen hatten ;

3. in der Rechtssache des Bezirksgerichtes Klagenfurt als Vertreter des Beklagten Andreas Z. in der Revisionsschrift einen Revisionsgrund angezogen hat, der bei pflichtgemäßer Prüfung des Sachverhaltes und der Rechtslage als nicht gegeben erkannt werden konnte, die Revision daher zu keinem Erfolg geführt hat und deretwegen über den Beschwerdeführer vom Obersten Gerichtshof eine Mutwillensstrafe von 1000 S verhängt wurde.

Deswegen verhängte die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter über den Beschwerdeführer eine Geldbuße.

Dagegen führt der Beschwerdeführer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG.

II. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in den Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Gewissensfreiheit und auf Freiheit der Wissenschaft verletzt worden zu sein. Er beantragt, zu erkennen, daß sich die genannten „Disziplinierungen … als verfassungsgesetzwidrig” erweisen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber erwogen:

1. Das Gleichheitsrecht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Vorschrift beruht oder wenn der Bescheid als Willkürakt der Behörde anzusehen ist (vgl. die ständige Rechtsprechung; u. a. B 232/61 vom 15. Dezember 1961, B 542/62 vom 10. Oktober 1963). Daß die Rechtsgrundlagen des Bescheides — sie werden im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich zitiert; aus ihm geht aber in einer alle Zweifel ausschließenden Weise hervor, daß er sich auf das Disziplinarstatut, RGBI. Nr. 40/ 1872, stützt —, dem Gleichheitsgebot oder einer anderen Verfassungsvorschrift widersprechen, wurde nicht behauptet. Der Verfassungsgerichtshof hat diesbezüglich auch keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer behauptet aber auch nicht, daß die Behörde Willkür geübt habe. Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde sind in keiner Weise hervorgekommen. Ins-besonders enthält auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts dergleichen. Aus dem Verwaltungsgeschehen ergibt sich vielmehr, daß die Behörde bemüht war, eine richtige Entscheidung zu treffen. Hätte die Behörde dessenungeachtet unrichtig entschieden, so wäre dies verfassungsrechtlich ohne Bedeutung (vgl. die Rechtsprechung; z. B. B 216/62 vom 12. März 1963).

Im Gleichheitsrecht ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt worden.

2. Das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsausübung kann durch den angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht verletzt worden sein. Der Beschwerdeführer wird nämlich durch den Bescheid in keiner Weise rechtlich gehindert, den Rechtsanwaltsberuf im Rahmen der Gesetze auszuüben. Der Verfassungsgerichtshof findet nicht, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Gesetz, das den Rahmen bildet, denkunmöglich ausgelegt hat. Es widerspricht nämlich nicht den Denkgesetzen, den unter I. 1. bis 3. dargestellten Sachverhalt als Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung der Ehre und des Standes im Sinne des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, RGBI. Nr. 40/ 1872, zu werten. Jedenfalls ist die Qualifikation des Verhaltens des Beschwerdeführers als Verletzung der Pflichten seines Berufes und als die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigendes Benehmen (§ 39 Abs. 2 DSt.) — andere Unrechtstatbestände kennt das Disziplinarstatut nicht — denkmöglich. Bei der Feststellung des Sachverhaltes ist die belangte Behörde ebenfalls nicht in einer den Denkgesetzen widersprechenden Art und Weise vorgegangen. Auch die Beschwerde macht nichts dergleichen geltend.

Da nur ein Bescheid, der gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes ergangen ist, eine rechtliche Behinderung der Ausübung der Erwerbsbetätigung darstellt, ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keiner Weise in diesem seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist (vgl. Erkenntnis B 165/62 vom 13. März 1963 und Erkenntnis B 40/63 vom 15. Juni 1963).

1. Das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung gilt nicht uneingeschränkt. Art. 13 StGG. gewährleistet es nämlich nur innerhalb der Schranken des Gesetzes. Es kann also durch den bekämpften Bescheid nur verletzt worden sein, wenn das angewendete Gesetz verfassungswidrig ist oder wenn das Gesetz denkunmöglicherweise angewendet wurde (vgl. z. B. Erkenntnis B 378/61 vom 28. März 1962). Daß dies nicht zutrifft, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen unter Z. 1 und 2. Auch in diesem Recht ist also der Beschwerdeführer nicht verletzt worden.

2. Das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit bezieht sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Slg. 1207/1924, 3480/1958 u. a.) nur auf religiöse Fragen. Da der angefochtene Bescheid Fragen der religiösen Sphäre überhaupt nicht betrifft, kann der Beschwerdeführer durch ihn auch nicht in diesem Grundrecht verletzt worden sein.

3. Das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre umfaßt das Recht der unbehinderten wissenschaftlichen Forschung und der unbehinderten Lehre der Wissenschaft (vgl. z. B. Erkenntnis 3068/1956). Der bekämpfte Bescheid berührt weder ein etwa gegebenes Recht des Beschwerdeführers zu lehren, noch behindert er eine etwaige Forschungstätigkeit des Beschwerdeführers.

IV. Auch eine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

VfGH 3816

Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter (Unzuständigkeit). Die Organe der israelitischen Kultusgemeinden sind keine staatlichen Behörden. Die Ausschreibung der Kultusbeiträge ist eine innere Angelegenheit, die Gewährung des staatlichen Beistandes zur Einbringung eine äußere Angelegenheit der Religionsgesellschaft. Überprüfung eines Rückstandsausweises während des Exekutionsverfahrens.

Erk. v. 13. Oktober 1960, B 22/60.

Die Beschwerdeführer sind durch den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Dezember 1959 in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird daher als verfassungswidrig aufgehoben.

Entscheidungsgründe :

Die israelitische Kultusgemeinde Wien hat am 22. Feber 1954 einen Rückstandsausweis über die Kultussteuern für die Jahre 1951 – 1953, betreffend die Verlassenschaft nach Ing. Otto Z. ausgestellt und ihn mit dem Vermerk versehen, daß dieser Rückstandsausweis keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug unterliegt. Auf Grund dieses Rückstandsausweises beantragte sie am 30. Dezember 1957 beim Bezirksgericht Hernals die Bewilligung der Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob den Liegenschaftsanteilen der Beschwerdeführer an den EZ. 904 KG. Hernals, 613 KG. Währing und 421 KG. Simmering zur Hereinbringung von Kultussteuerrückständen in der Gesamthöhe von S 12.000 — mit der Begründung, daß die Beschwerdeführer auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Hietzing vom 27. April 1956 zu insgesamt 3/4 in den Nachlaß nach Ing. Otto Z. eingeantwortet worden sind. Diese Exekution wurde vom angerufenen Bezirksgericht bewilligt. Den dagegen erhobenen Rekurs der Beschwerdeführer hat das Landesgericht für ZRS. Wien mit Beschluß vom 16. September1958 mit der Begründung verworfen, daß es keine Veranlassung sehe, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, nach der ein mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehener Rückstandsausweis einer israelitischen Kultusgemeinde über Kultussteuerbeiträge einen Exekutionstitel gemäß § 3 VVG. 1950 darstellt. Dieser Beschluß wurde rechtskräftig, weil gegen ihn ein weiterer Rekurs nicht zulässig war.

Die Beschwerdeführer wendeten sich nunmehr an den Magistrat der Stadt Wien als Verwaltungsvollstreckungsbehörde erster Instanz und brachten am 18. Feber 1959 Einwendungen gegen den Rückstandsausweis der israelitischen Kultusgemeinde Wien unter Berufung auf § 36 EO. vor, in denen sie im wesentlichen ausführten, daß dem der Exekutionsbewilligung zugrunde liegenden Titel (Rückstandsausweis) jede gesetzliche Grundlage mangle. Sie beantragten, die Vollstreckbarkeit des gegen sie gerichteten Rückstandsausweises der israelitischen Kultusgemeinde Wien aufzuheben und die gerichtlich bewilligte Exekution als unzulässig zu erklären und einzustellen. Sie beantragen ferner, für den Fall der Ablehnung dieses Antrages, der Magistrat der Stadt Wien möge allenfalls die gemachten Angaben auf ihren strafrechtlichen Inhalt im Sinne des § 21 des Gesetzes, RGBI. Nr. 57/1890, untersuchen, wobei sich die Beschwerdeführer dem gegen die schuldigen Organe der Kultusgemeinde Wien einzuleitenden Strafverfahren anschlossen; und schließlich, die gemachten Angaben zum Anlaß zu nehmen, gemäß § 30 dieses Gesetzes staatsbehördlich einzuschreiten.

Der Magistrat der Stadt Wien wies die „Einwendungen gemäß § 36 EO.” mit Bescheid vom 1. Juni 1959 ab. Der Eventualantrag der Beschwerdeführer fand nach dem Inhalt der Verwaltungsakten keine Erledigung.

Die Beschwerdeführer beriefen. Das Bundesministerium für Inneres hat mit Berufungsbescheid vom 21. Dezember 1959 den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 1. Juni 1959 wegen Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien aufgehoben.

In der dagegen erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde behaupten die Beschwerdeführer, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Da von den vier Beschwerdeführern nur Georg Z. österreichischer Staatsbürger ist, wurde die Behauptung der Verletzung des Rechtes der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ausdrücklich auf diese Person eingeschränkt.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Verwaltungsbehörde bei Erlassung des Bescheides eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nach dem Gesetze nicht zukommt, oder wenn sie ihre Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise ablehnt.

Die Beschwerdeführer hatten eine verwaltungsbehördliche Entscheidung über ihre Einwendungen gegen den Rückstandsausweis der israelitischen Kultusgemeinde mit dem Antrag begehrt, die Vollstreckbarkeit dieses Rückstandsausweises aufzuheben, die vom Gerichte bewilligte Exekution für unzulässig zu erklären und das gerichtliche Exekutionsverfahren einzustellen. Sie bezeichnen diesen Antrag als „Einwendungen nach § 36 EO.”; ihrem Inhalte nach sind jedoch diese „Einwendungen” ein Antrag gemäß § 7 Abs. 4 EO.; denn die Beschwerdeführer begehren vor allem, wie in dieser Gesetzes-stelle vorgesehen, die Aufhebung einer nach ihrer Meinung gesetzwidrig erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung.

a) Daß keine Verwaltungsbehörde zuständig ist, ein Gerichtsverfahren für unzulässig zu erklären und einzustellen, liegt auf der Hand. Eine gesetzliche Bestimmung, die dies ermöglicht, besteht nicht und wäre, wenn sie bestünde, im Hinblick auf Art. 94 B.-VG. verfassungswidrig.

b) Es war daher nur zu untersuchen, ob die angegangenen Verwaltungsbehörden zuständig waren, über den Antrag der Beschwerdeführer auf Aufhebung der in Rede stehenden Vollstreckbarkeitsbestätigung zu entscheiden.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Rückstandsausweis der israelitischen Kultusgemeinde Wien, betreffend Kultussteuerbeträge. Da es sich um eine Geldleistung handelt, hat die anspruchsberechtigte israelitische Kultusgemeinde Wien im Sinne des § 3 Abs. 3 VVG. 1950 ihre Eintreibung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragt, weil ihr nach ihrer Auffassung zur Eintreibung dieser Geldleistungen die Einbringung im Verwaltungswege (politische Exekution) gewährt ist. Das angegangene Gericht hatte diese Exekution bewilligt. Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Antrag an den Magistrat der Stadt Wien die Aufhebung der Vollstreckbarkeit des den Exekutionstitel bildenden Rückstandsausweises der israelitischen Kultusgemeinde Wien begehrt. Für derartige Fälle bestimmt § 7 Abs. 4 EO., daß Anträge auf Aufhebung einer gesetzwidrigen oder irrtümlich erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung bei jener Stelle anzubringen  sind, von der der Exekutions- titel ausgegangen ist. Eine gleichartige Bestimmung findet sich im § 3 Abs. 2 zweiter Satz VVG. 1950 betreffend Einwendungen im Sinne des § 35 .EO. Diese Bestimmungen zeigen, daß der Gesetzgeber grundsätzlich ein Verfahren zur Überprüfung von Vollstreckbarkeitsbestätigungen und damit auch von Rückstandsausweisen vorgesehen hat, in dem die Betroffenen Parteien sind und einen Anspruch auf Entscheidung über ihre Anträge haben. Allerdings sind diese Anträge nach den angeführten Gesetzesbestimmungen bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist. Der Gesetzgeber hatte aber nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bei dieser Regelung nur Fälle in Betracht gezogen, in denen die Stelle, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist, eine staatliche Behörde ist. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu; denn die israelitische Kultusgemeinde Wien und ihre Organe sind keine staatlichen Behörden. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft, die gemäß Art. 15 StGG. außerhalb der staatlichen Behördenorganisation steht (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 17.031 A/1932). Der Verfassungsgerichtshof ist nun der Meinung, daß in diesen Fällen, weil § 7 Abs. 4 EO. (ebenso wie § 3 Abs. 2 zweiter Satz VVG. 1950) jedenfalls ein geregeltes Verfahren vor einer staatlichen Behörde im Auge hat, an die Stelle der in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Anbringungsstelle eine staatliche Behörde tritt.

Im konkreten Fall liegt unbestrittenermaßen eine Angelegenheit der Kultusverwaltung vor. Die Ausschreibung von Kultusbeiträgen ist zwar zunächst eine innere Angelegenheit der betreffenden gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft; sobald aber der Staat zur Einbringung dieser Beiträge seinen Beistand leistet (§ 22 des Gesetzes betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, RGBl. Nr. 57/1890), wird die Angelegenheit, soweit es sich um die Frage der Gewährung des staatlichen Beistandes handelt, zu einer äußeren Angelegenheit und somit zu einer Angelegenheit des Kultus im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B.-VG. Zur Entscheidung in solchen Angelegenheiten sind daher die Kultusbehörden des Bundes zuständig. Das sind in bezug auf die israelitische Religionsgesellschaft bei Berücksichtigung der durch das B.-VG. bewirkten Änderungen gemäß § 1 der Verordnung RGBl. Nr. 96/1897 die Sonderfälle der §§ 2 und 3 dieser Verordnung kommen für den vorliegenden Fall nicht in Betracht — in Wien in erster Instanz der Magistrat der Stadt Wien und in zweiter Instanz der Bundesminister für Unterricht.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat nun der Magistrat der Stadt mit seinem Bescheid vom 1. Juni 1959 über die Anträge der Beschwerdeführer eine Sachentscheidung gefällt. Über die dagegen eingebrachte Berufung hat aber nicht der Bundesminister für Unterricht, sondern der Bundesminister für Inneres entschieden. Dieser war hiezu nach obigen Ausführungen nicht zuständig. Es wurden daher die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

VfGH 3657

Die Erhebung von Kirchenbeiträgen ist eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaften. Die Kirchenbeitragsordnungen sind daher keine Verordnungen. Bedeutung der staatsaufsichtlichen Genehmigung.

B. v. 15. Dezember 1959, V 11/59.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Sachverhalt:

Das Landesgericht für ZRS. Wien hat über eine Berufung der Lieselotte L., Wien, III., gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zu entscheiden, mit dem die Genannte auf Grund einer Klage des Verbandes der Wiener evangelischen Pfarrgemeinden AB. Wien, 1., Schellinggasse 12, zur Bezahlung von Kirchenbeiträgen in der Höhe von S 540 — für die Jahre 1955 bis 1957 verurteilt wurde. Es hat nun Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des § 4 Abs. 4 der evangelischen Kirchenbeitragsordnung vom 30. November 1956 (Amtsblatt für die evangelische Kirche A. und HB. in Österreich, Jahrgang 1957, S 49) und daher den Beschluß gefaßt, das Verfahren gemäß Art. 89 B.-VG. zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der angeführten Bestimmung der evangelischen Kirchenbeitragsordnung zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 4 Abs. 4 der evangelischen Kirchenbeitragsordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

Begründung:

Nach Art. 139 Abs. 1 B.-VG. ist der Verfassungsgerichtshof berufen, über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesoder Landesbehörde zu erkennen. Es war daher zunächst zu prüfen, ob der zur Überprüfung beantragte § 4 Abs. 4 der Evangelischen Kirchenbeitragsordnung vom 30. November 1956, ABI. Nr. 20/1957 (KBO.), eine Bestimmung ist, der der Charakter einer Verordnung einer Bundes- oder Landesbehörde im Sinne des Art. 139 B.-VG. zukommt.

Der Verfassungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Die Evangelische Kirche A. und H. B. in Österreich ist eine gesetzlich anerkannte Kirche. Nun bestimmt Art. 15 StGG., daß die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ihre inneren Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten. In den inneren Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist also den staatlichen Organen durch Art. 15 StGG. jede Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung genommen. In diesen Angelegenheiten ist die Tätigkeit der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften keine staatliche Tätigkeit im Sinne der Bundesverfassung ; ihre generellen und individuellen Akte sind nicht Verordnungen und nicht Bescheide im Sinne der Bundesverfassung. Die Organe einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft könnten nur dann als staatliche Behörde und ihre Akte nur dann als Verordnungen oder Bescheide angesehen werden, wenn und soweit ihnen eine Kompetenz in einer äußeren Angelegenheit übertragen ist; sie müßten dann je nach dem Gegenstand dieser äußeren Angelegenheit funktionell als Bundes- oder Landesbehörden und ihre Akte als Bundes- oder Landesvollzugsakte qualifiziert werden.

Es ist daher zu untersuchen, ob die 5. Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H. B. in Österreich bei Erlassung der Bestimmung des § 4 Abs. 4 KBO. am 30. November 1956 in einer inneren Angelegenheit der Kirche oder in einer ihr vom Staat übertragenen äußeren Angelegenheit tätig geworden ist.

Zu den inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zählt auch die Erhebung von Beiträgen zur Deckung ihres Sach- oder Personalbedarfes. Denn die Beschaffung der hiefür erforderlichen finanziellen Mittel ist eine Voraussetzung dafür, daß die Kirche oder Religionsgesellschaft überhaupt ihre inneren Angelegenheiten ordnen und verwalten kann. Wenn hiezu das Vermögen und freiwillige Spenden nicht ausreichen, ist die Erhebung von Beiträgen unvermeidlich. Es ist daher das Recht der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zur Erhebung von Beiträgen für die Deckung des mit der Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten verbundenen Sach- und Personalbedarfes ihnen institutionell mitgegeben. Die Erhebung solcher Beiträge ist daher selbst eine innere Angelegenheit. Sie bleibt es auch dann, wenn die so gewonnenen Mittel zur Besorgung von äußeren Angelegenheiten verwendet werden, die der gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft von Staats wegen zur Besorgung übertragen wurden. Denn die Regelung der Frage der Tragung der Kosten für die Besorgung solcher Angelegenheiten ist selbst eine äußere Angelegenheit, die aber die gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft nicht hindert, ihrerseits ohne gesetzliche, Verpflichtung diese Kosten aus ihren Mitteln zu tragen.

Die zur Prüfung beantragte Bestimmung des § 4 Abs. 4 KBO. bestimmt nun, daß die in glaubensverschiedener, jedoch nicht in gemischt-evangelischer Ehe (A. B. und H. B.) lebenden Angehörigen der Evangelischen Kirche die Hälfte jenes Kirchenbeitrages zu entrichten haben, der zu leisten wäre, wenn beide Ehegatten der evangelischen Kirche angehören würden. Diese Bestimmung regelt damit nur die Höhe des Kirchenbeitrages, den der der Evangelischen Kirche angehörige und demnach beitragspflichtige Ehegatte einer Mischehe seiner, nämlich der Evangelischen Kirche A. und H. B. zu entrichten hat. Sie berührt nicht die Beitragspflicht. Auch im Falle einer Zwangsvollstreckung auf Grund eines Gerichtsurteilen könnte nur in das Vermögen des beitragspflichtigen Ehegatten Exekution geführt werden. Diese Bestimmung überschreitet bei Normierung der Rechtspflicht der Beitragsleistung nicht den Kreis der Kirchenangehörigen. Sie ist daher als eine die inneren Angelegenheiten der Evangelischen Kirche betreffende Norm anzusehen. Sie ist somit ihrem Inhalt nach nicht als eine Norm anzusehen, der der Charakter einer Verordnungsnorm „einer Bundes- oder Landesbehörde” zukommt.

Die beteiligte Partei behauptet nun aber unter Hinweis auf das hg. Erk. Slg. Nr. 2195/1951, daß diese Bestimmung der Kirchenbeitragsordnung dadurch die Eigenschaft einer Verordnungsvorschrift einer Bundesbehörde gewonnen hat, daß sie gemäß § 3 Abs. 2 des Kirchenbeitragsgesetzes, GBl. f. d. L. Ö. Nr. 543/1939, (KBG.) die staatsaufsichtliche Genehmigung des Bundesministeriums für Unterricht erhalten hat. Dieser Auffassung kann aus folgenden Gründen nicht beigetreten werden:

Die Staatsaufsicht gegenüber den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist der Staatsaufsicht über die Selbstverwaltung vergleichbar. Auch dort ist für manche Akte der Selbstverwaltung die aufsichtsbehördliche Genehmigung vorgesehen. Durch eine solche aufsichtsbehördliche Genehmigung wird aber das Wesen des Aktes der Selbstverwaltung nicht verändert. Er bleibt ein Akt der Selbstverwaltung und wird nicht zu einem Akt der unmittelbaren Staatsverwaltung. Für den Bereich des Kirchenbeitragswesens gilt das gleiche; dies ergibt sich überdies aus der Bestimmung des § 1 KBG., der ausdrücklich von den von den Kirchen zu erlassenden Kirchenbeitragsordnungen spricht und damit zum Ausdruck bringt, daß die Kirchenbeitragsordnungen nach Auffassung des Gesetzgebers trotz der nach § 3 Abs. 2 KBG. erforderlichen staatsaufsichtlichen Genehmigung generelle Akte der Kirchen sind. Der von der beteiligten Partei bezogene Fall des hg. Erk. SIg. Nr. 2195/1951 lag insofern anders, als dort der Verfassungsgerichtshof deshalb das Vorliegen einer Verordnung einer staatlichen Behörde angenommen hat, weil die Absicht des Bürgermeisters von Wien auf einen Normsetzungsakt gerichtet war. Im vorliegenden Fall fehlt aber ein solcher Normsetzungswille des Bundesministers für Unterricht. Die staatsaufsichtliche Genehmigung im Sinne des § 3 Abs. 2 KBG. schafft nicht erst das Recht der Kirchen zur Einhebung von Kirchenbeiträgen. Sie bedeutet nur den staatlichen Ausspruch gegenüber der betreffenden Kirche, daß vom Standpunkt des Bundes aus gegen die Kirchenbeitragsordnung keine Bedenken bestehen. Sie stellt einen ausschließlich an die Kirche gerichteten Bescheid dar. Darüber hinaus hat sie keine Wirkungen. Sie sagt insbesondere nichts über die Gültigkeit und Verbindlichkeit der Kirchenbeitragsordnung gegenüber den Kirchenmitgliedern aus. Sie bindet daher auch in keiner Weise die Gerichte in der Frage der Verbindlichkeit der Kirchenbeitragsordnung gegenüber den Kirchenmitgliedern. Diese Verbindlichkeit ergibt sich vielmehr aus der Zugehörigkeit der Mitglieder zur betreffenden Kirche und ist daher ausschließlich nach den Rechtssätzen zu beurteilen, die die Rechtsverhältnisse der Mitglieder zu ihrer Kirche regeln. Somit ergibt sieh, daß die staatsaufsichtliche Genehmigung gemäß § 3 Abs. 2 KBG. die Rechtsnatur des § 4 Abs. 4 KBO. als eines rein innerkirchlichen Aktes nicht verändert hat.

Bei dieser Sachlage erübrigte es sich, zu untersuchen, ob das KBG. und insbesondere die Bestimmung seines § 3 Abs. 2 mit der bundesverfassungsgesetzlichen Regelung der Stellung der gesetzlich an-erkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (Art. 15 StGG.) in Einklang steht und demnach überhaupt noch geltendes Recht ist oder ob diesem Gesetz und insbesondere seinem § 3 Abs. 2 durch das Wiederinkrafttreten des Art. 15 StGG. derogiert wurde. In jedem Falle erweist sich nämlich § 4 Abs. 4 KBO. als innerkirchliche Norm.

Dem § 4 Abs. 4 KBO. kommt nicht der Charakter einer „Verordnung einer Bundes- oder Landesbehörde” zu. Der Antrag des Landesgerichtes für ZRS. Wien war daher als unzulässig zurückzuweisen.

VfGH 3509

Staatsbürgerschaft. Beschwerdefrist, Zustellung. Das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit betrifft nur die religiöse Sphäre, nicht aber das Bekenntnis zu einer Sprach- oder Volksgruppe. Art. 19 StGG. bezieht sich nur auf inländische Volksgruppen. Das Recht auf Gleichheit steht nur österreichischen Staatsbürgern zu.

Erk. v. 12. März 1959, B 161/58.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Sachverhalt:

Milan T., geboren am 2. November 1892 in Dalmatien, ehemals Dr. jur. und Rechtsanwalt: in Belgrad, hält sich seit 11. Juli 1944 —er kam als Fremdarbeiter in das ehemalige Deutsche Reich — in Österreich auf. Am 22. Juni 1956 gab er mit der Behauptung, er wäre derzeit in der Gemeinde Eisenstadt wohnhaft, gegenüber der Landesregierung von Burgenland im Sinne des § 1 des Gesetzes vom 2. Juni 1954, BGBl. Nr. 142, betreffend den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Volksdeutsche, die Erklärung ab, der Republik Österreich als getreuer Staatsbürger angehören zu wollen. Er behauptete in diesem Zusammenhang, daß die Bestimmungen des § 2 leg. cit. auf ihn zuträfen. Die Landesregierung von Burgenland hat hierauf mit Bescheid vom 5. Juli 1956 ausgesprochen, daß Milan T. im Sinne des § 3 Abs. 2 leg. cit. mit Wirksamkeit vom 22. Juni 1956 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.

Im Zuge von Erhebungen, die über Ersuchen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland durchgeführt wurden, ergab sich, daß Milan T. anfangs Juli 1956 in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Emil Sch., wohnhaft in Eisenstadt, Joachimstraße 11, erschienen ist, und diesen, den er aus der Zeit 1947-       1948 von der Wiener Universität her kannte, gebeten hat, ihn bei sich als Untermieter aufzunehmen, da es ihm durch Beziehungen zur Burgenländischen Landesregierung möglich sei, in Kürze die Österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dr. Sch. vermietete an Milan T. ein leerstehendes Kabinett und meldete ihn am 2. Juli 1956 als Untermieter polizeilich an. Milan T. soll noch am gleichen Tag nach Wien zurückgefahren sein. Er hat sich jedenfalls bei Dr. Sch. nicht mehr blicken lassen, worauf dieser ihn noch im Juli wieder polizeilich abmeldete. Ein oder zwei Tage nach der Abmeldung (vermutlich am 25. Juli 1956) wurde Dr. Sch. vom Beamten der Burgenländischen Landesregierung Engen C. telephonisch angerufen und über den Grund der Abmeldung des Milan T. befragt. C. erklärte bei diesem Telefongespräch, daß Milan T. in Eisenstadt unbedingt polizeilich gemeldet sein müsse, ansonsten er niemals in den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft gelangen könne. Wie weiters erhoben wurde, hat Eugen C. daraufhin Milan T. am 26. Juli 1956 bei sich in Eisenstadt Joachimstraße 19 als Untermieter polizeilich angemeldet, doch soll sich auch dort T. niemals aufgehalten haben. Jedenfalls ist Milan T. im Wohnhaus des Eugen C. und in dessen Umgebung gänzlich unbekannt geblieben. Die Landesregierung von Burgenland hat daraufhin mit Bescheid vom 10. September 1957 gemäß § 69 Abs. 3 AVG. 1950 von amtswegen die Wiederaufnahme des Verfahrens der Staatsbürgerschaftsverleihung an Milan T. wegen des dringenden Verdachtes, daß diese auf Grund falscher Angaben verfügt und angeordnet, daß das Ermittlungsverfahren vom Zeitpunkt, der Abgabe der Erklärung (22. Juni 1956) an neu durchzuführen ist.

Im Zuge des wiederaufgenommenen Verfahrens behauptete Milan T. in seiner Eingabe vom 9. Dezember 1957 neuerlich, Volksdeutscher zu sein, über 20 Jahre als Mitglied der kulturellen Organisation der deutschen Volksgruppe „Kulturbund”, Zweig Belgrad, angehört zu haben und darüber eine schriftliche Bestätigung zu besitzen. Außerdem machte er für seine deutsche Volkszugehörigkeit einen Zeugen, der ihn persönlich kenne, namhaft. Zur Frage des Wohnsitzes in Eisenstadt führte Milan T. aus, daß er Vertreter der Windischgrätz’schen Weinkellereien sei, ihn sein Beruf durch ganz Österreich führe und er in mehreren Orten seinen Wohnsitz haben müsse, weil ihm nur dadurch die erfolgreiche Ausübung seiner Vertretertätigkeit möglich sei. Als er sich im Jahre 1956 in Eisenstadt angemeldet hat, habe er den „animos domiciliandi” in Eisenstadt besessen. Er sei auch jetzt in Eisenstadt (Esterhazystraße, 19, Gasthaus Wimmer) angemeldet und habe nach wie vor die feste Absicht, auch dort seinen ordentlichen Wohnsitz zu haben.

Die Landesregierung von Burgenland erließ am 18. März 1958 einen Bescheid, mit welchem die von Milan T. am 222. Juni 1956 nach § 1 des Gesetzes vom 2. Juni 1954, BGBl. Nr. 142, abgegebene Staatsbürgerschaftserklärung im Sinne des § 3 Abs. 2 leg. eit. im Zusammenhang mit § 13 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276, nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Zur Begründung des Bescheides wurde neben einer kurzen chronologischen Darstellung des Sachverhaltes ausgeführt, daß Milan T. in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 1957 zwar behauptet habe, daß er Volksdeutscher sei, und daß er auch in Eisenstadt einen ordentlichen Wohnsitz hätte, weshalb er auf die Erstattung der Anmeldung einen Rechtsanspruch hätte, und die Burgenländische Landesregierung zur Entgegennahme der Erklärung zuständig wäre, daß aber alle diese Behauptungen durch einen vorliegenden Bericht der Sicherheitsdirektion für das Bundes- land Burgenland widerlegt wären, so daß schon aus diesem Grunde(Der Bescheid wurde Milan T. nach seinen eigenen, vom Verfassungsgerichtshof überprüften Angaben am 18. Juni 1958 zugestellt.)

Am 18. Juli 1958 brachte Milan T. gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 18. März 1958 beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B.-VG. gestützte Beschwerde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ein.

Entscheidungsgründe:

1. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich zunächst mit der Einwendung der belangten Behörde zu befassen, daß die Beschwerde verspätet eingebracht worden sei. Tatsächlich erliegt in den Verwaltungsakten ein Rückschein mit Poststempel vom 20. März 1958 und einer mit 21. März 1958 datierten Unterschrift. Die vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten Erhebungen haben jedoch ergeben, daß die Unterschrift auf diesem Rückschein nicht vom Beschwerdeführer stammt. Der Beschwerdeführer hat tatsächlich erst nach seiner Entlassung aus der Haft am 18. Juni 1958 vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erhalten, so daß die am 18. Juli 1958 überreichte Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

2. Nach Art. 14 Abs. 1 StGG. ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann gewährleistet. Der Beschwerdeführer meint nun, daß der Umstand, daß die belangte Behörde sein Bekenntnis zur deutschen Sprache als nicht genügend für die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit angesehen hat, ihn in seiner Gewissensfreiheit verletzt habe. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen der Art. 14 bis 16 StGG. ergibt sich aber, daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit lediglich die religiöse Sphäre betrifft, nicht aber auch das Bekenntnis zu einer Sprachgruppe oder zu einer Volkstumsgruppe. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 13. Mai 1929, Slg. Nr. 1207, ausgesprochen, daß aus dem Begriff der Glaubens- und Gewissensfreiheit hervorgeht, daß es sich bei Beschwerden wegen Verletzung dieser Rechte um eine Frage des Religionsbekenntnisses handeln muß, und er hat sogar eine Verletzung dieses Grundrechtes dann als nicht möglich angesehen wenn es sich um eine Weltanschauung im allgemeinen handelt. Eine Verletzung des Art. 14 StGG. kann dann aber umsoweniger darin gelegen sein, daß eine Verwaltungsbehörde die behauptete deutsche Volkszugehörigkeit nicht als gegeben annimmt.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 19 StGG. heute überhaupt noch eine normative Bedeutung hat; denn keinesfalls räumt er einem Ausländer ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht darauf ein, daß die Verwaltungsbehörde ein Bekenntnis zu einer bestimmten Sprache in den Fällen, in denen die Sprachzugehörigkeit rechtlich von Bedeutung ist, ungeprüft hinnehmen muß. Die Bestimmungen des Art. 19 StGG. betreffen vielmehr ganz andere Fragen.

Abs. 1 legt die Gleichberechtigung aller Volksstämme des Staates und ihr Recht auf Wahrung und Pflege ihrer Nationalität und Sprache fest und kann sich daher schon deshalb nur auf inländische Volksgruppen beziehen. Abs. 2 regelt die Gleichberechtigung der landesüblichen Sprache und Abs. 3 regelt Schulfragen; beide Absätze betreffen also Angelegenheiten, die mit der Frage der Sprachzugehörigkeit einzelner Personen überhaupt in keinem Zusammenhang stehen. Darin, daß die belangte Behörde die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers, eines Ausländers, zur deutschen Sprache nicht als gegeben angenommen hat, kann daher niemals eine ‘Verletzung des Art. 19 StGG. gelegen sein.

4. Daß schließlich der Beschwerdeführer im Hinblick auf Art. 7 B.-VG. nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt worden sein kann, ergibt sich schon daraus, daß der in dieser bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung normierte Gleichheitsgrundsatz sich seinem eindeutigen Wortlaut nach nur auf Bundesbürger, nicht aber auch auf Ausländer bezieht.

5. Der Verfassungsgerichtshof hatte deshalb auch aus dem Gesichtspunkt des Art. 19 StGG. und des Art. 7 B.-VG. keine Bedenken gegen die ‘Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes vom 2. Juni 1954, BGBl. Nr. 142.

6. Der Beschwerdeführer ist sohin in keinem der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt norden. Da im Verfahren auch keine Umstände hervorgekommen sind, die auf die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hinweisen würden, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

VfGH 3505

Benützung der Straßenfläche zu anderen als zu Verkehrszwecken (Werbetätigkeit durch religiöse Ansprachen) ohne Bewilligung. Freiheit der Meinungsäußerung. „Öffentliche Ordnung” als Inbegriff der die Rechtsordnung beherrschenden Grundgedanken. Anbietung von Presseerzeugnissen. Voraussetzung der Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter durch die Oberinstanz. Gleichheit. Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Erk. v. 11. März 1959, B 185, 186/58.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer am 12., April 1958 gegen 15.40 Uhr auf dem Gehsteig der Bundesstraße 1 in Götzis Zeitschriften und Flugblätter der „Zeugen Jehovas” zu vertreiben versuchte und dabei zu den Straßenpassanten über religiöse Dinge gesprochen hat. Der Beschwerdeführer meint allerdings, daß dies nur eine Anpreisung der angebotenen Presseprodukte gewesen sei, gibt aber in der Beschwerde zu, vom Königreich Gottes, von der Notwendigkeit, Gott zu verehren, zu ihm zu beten und ihm zu dienen, gesprochen zu haben. In der Rechtfertigungsschrift hat der Beschwerdeführer diese Tätigkeit selbst als eine Art des Predigens bezeichnet. Wegen dieses Verhaltens hat die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch über den Beschwerdeführer wegen Übertretung nach § 12 Abs. 1 StPolO., BGBl. Nr. 59/1947, gemäß § 72 StPolG., BGBl. Nr. 46/1947, eine Geldstrafe von S 100 — verhängt; sie qualifizierte dabei das Verhalten des Beschwerdeführers als eine verkehrshindernde, mit Zeitschriften und Flugblättern ausgeübte Werbetätigkeit, die über den Vertrieb von Druckwerken hinausging und damit eine an eine Bewilligung gebundene Benutzung einer öffentlichen Verkehrsfläche darstellt. Der Landeshauptmann von Vorarlberg hat die Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen, aber den Spruch dahin abgeändert, daß als strafbares Verhalten die Werbetätigkeit Ansprachen an die Straßenpassanten und damit die Benutzung der Straßenfläche zu anderen als zu Verkehrszwecken ohne die erforderliche Bewilligung angenommen wurde.

1. Der Beschwerdeführer macht vor allem die Verletzung des Grundrechtes nach Art. 13 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbrüger, RGBI. Nr. 142/1867 (,SGG.), geltend. Nach Abs. 1 dieses Art. 13 hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung inner- halb der gesetzlichen Schranken zu äußern. Nach Abs. 2 darf die Presse weder unter Zensur gestellt noch durch das Konzessionssystem beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung.

a) Art. 13 Abs. 1 StGG. enthält den Gesetzesvorbehalt. Ähnliches gilt für das im vorliegenden Fall gleichfalls in Betracht kommende Grundrecht der freien Religionsausübung, weil nach Art. 63 Abs. 2 des Staatsvertrages von St. Germain, StGB. Nr. 303/1920, alle Einwohner Österreichs das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, nur haben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten- Sitten unvereinbar ist; unter derer Begriff der öffentlichen Ordnung ist dabei der Inbegriff der die Rechtsordnung beherrschenden Grundgedanken zu vorstehen (Erkenntnis vom 19. Dezember 1955, Slg. Nr. 22944), sohin auch die Grundgedanken des Straßenpolizeirechtes. Nun bestimmt § 11 Abs. 1 des daß — von gewissen hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen — jede Benützung von Straßen und des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Verkehrs in Betracht kommenden Luftraumes, wenn sie zu anderen als zu Zwecken des Verkehrs erfolgt (z. B. zu gewerblichen Tätigkeiten, Wirtschaftswerbung), einer besonderen Bewilligung bedarf. Gegen diese Gesetzesbestimmung bestehen keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken. Die im vorliegenden Falle angewendete Bestimmung des § 12 Abs. 1 StPolO. deckt sich irrörtlich mit dieser Bestimmung des StPolG., so daß auch hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungsstelle keinerlei Bedenken bestehen. Es ist ein verfassungsrechtlich unbedenklicher Grundgedanke des österreichischen Straßenpolizeirechtes, daß Straßen ohne besondere Bewilligung nur zu Verkehrszwecken benützt werden dürfen.

Es kann nun dahingestellt bleiben, ob das Verhalten des Beschwerdeführers am 12. April 1958 in Götzis nach den zitierten Bestimmungen des Straßenpolizeirechtes im Zusammenhang mit § 66und § 72 StPolG. bestraft werden durfte. Denn dies ist eine Frage der richtigen Anwendung eines einfachen Bundesgesetzes, worüber zu erkennen nicht der Verfassungsgerichtshof berufen ist. Für die Frage der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte mit Gesetzesvorbehalt oder Vorbehalt der öffentlichen Ordnung kommt es lediglich darauf an, ob in ein solches Recht auf Grund eines Gesetzes oder gesetzlos eingegriffen wurde. Ein gesetzloser Eingriff liegt aber nur vor, wenn sich der angefochtene Bescheid überhaupt auf’ kein Gesetz oder nur auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt oder wenn ein verfassungsmäßiges Gesetz in denkunmöglicher Weise oder nur zum Schein angewendet wurde. Daß gegen die im angefochtenen Bescheid angewendeten Bestimmungen des Straßenpolizei-rechtes keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und daß sie den Grundgedanken der österreichischen Rechtsordnung entsprechen, wurde bereits dargetan, insbesondere bestehen auch keine Bedenken in der Richtung, daß etwa diese Bestimmungen den Wesensgehalt der Grundrechte der freien Meinungsäußerung oder der freien Religionsausübung antasten. Der Verfassungsgerichtshof konnte auch nicht finden, daß das Verhalten des Beschwerdeführers, für das er bestraft wurde, unter die zitierten Bestimmungen des Straßenpolizeirechtes überhaupt nicht unterstellt werden konnte und daher diese Bestimmungen in denkunmöglicher Weise angewendet wurden, wenn auch vielleicht diese Bestimmungen im vorliegenden Fall unrichtig angewendet wurden. Es ist auch im Verfahren kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, daß diese Bestimmungen nur zum Schein angewendet worden wären. Schon aus diesem Grund kann also ein verfassungswidriger Eingriff in die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Freiheit der Religionsausübung nicht vorliegen.

b) Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, Presseerzeugnisse anzubieten, behindert, so übersieht er zunächst, daß er nur wegen unbefugter Benutzung einer Straße zu anderen als Verkehrszwecken durch sein Verhalten auf der Bundesstraße Nr. 1 in Götzis bestraft wurde, nicht aber wegen Anbietens und Anpreisens von Presseerzeugnissen. Sein Einwand steht daher mit dem strafbaren Verhalten, das die belangte Behörde als erwiesen angenommen hat, überhaupt in keinem Zusammenhang und geht daher fehl. Die Frage aber, ob die erwähnten Bestimmungen des Straßenpolizeirechtes im Hinblick auf § 9 des Pressegesetzes richtig angewendet wurden, ist wieder eine Frage der richtigen Anwendung eines einfachen Bundesgesetzes, über die nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern der Verwaltungsgerichtshof zu erkennen hat. Denn auch in dieser Hinsicht konnte der Verfassungsgerichtshof nicht finden, daß die angewendeten Bestimmungen desStraßenpolizeirechtes in denkunmöglicher Weise oder nur zum Schein angewendet wurden.

2. Der Beschwerdeführer sieht ferner einen rechtlichen Fehler des angefochtenen Bescheides darin, daß der Inhalt des angefochtenen Bescheides mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch im Widerspruch steht. Nun wäre allerdings der Beschwerdeführer seinem) gesetzlichen Richter entzogen, wenn die Berufungsbehörde einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand ihrer Berufungsentscheidung gemacht hätte als die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz. Das ist aber nicht der Fall. Beide Instanzen haben dasselbe Verhalten zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht, nämlich die Vorgänge vom 12. April 1958 in der Zeit um 15.40 Uhr in Götzis. Die belangte Behörde hat lediglich das Verhalten anders qualifiziert als die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. Zu einer solchen anderen rechtlichen Qualifikation war aber die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG. 1950 im Zusammenhang mit § 24 VStG. 1950 berechtigt.

3. Die Beschwerde führt ferner aus, daß es sich um die Verbreitung von Presseerzeugnissen religiösen Inhaltes gehandelt habe, die in Österreich nicht verboten sei. Sie sei bei anderen religiösen Bekenntnissen gestattet und es geschehe auch, daß Zeitschriften beim öffentlichen Verkauf ausgerufen werden, damit man gleich sehe, um welches religiöse Bekenntnis es sich handelt. Dieses Recht müsse auch dem Beschwerdeführer als Mitglied der Zeugen Jehovas zustehen.

In diesem Zusammenhang steht offenbar auch die Rüge des Beschwerdeführers, mit (]er Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht daß die belangte Behörde den Inhalt der feilgebotenen Presseprodukte nicht geprüft habe, weil sich bei einer solchen Prüfung ergeben hätte, daß es sich um Presseprodukte religiösen Inhaltes handelte. Da die belangte Behörde aber die strafbare Handlung nicht im Verbreiten von Presseprodukten erblickte, sondern in der unbefugten Benützung der Straße zu anderen als Verkehrszwecken durch ein über das bloße Anpreisen von Presseprodukten hinausgehendes Verhalten, steht der Inhalt der feilgebotenen Presseprodukte mit dem vorliegenden Straffall überhaupt in keinem Zusammenhang und es ist völlig unerfindlich, inwiefern die unterbliebene Feststellung des Inhaltes der feilgebotenen Druckwerke überhaupt zu einer Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hätte führen können.

Sollte der Beschwerdeführer aber mit diesen Ausführungen etwa geltend machen wollen, daß sein Verhalten von der belangten Behörde im Gegensatz zum gleichartigen Verhalten der Angehörigen anderer religiöser Bekenntnisse aus willkürlichen, unsachlichen, nämlich im religiösen Bekenntnis des Beschwerdeführers gelegenen Erwägungen als strafbar qualifiziert wurde, und daß damit eine Verletzung der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erfolgt sei, so fehlt für eine solche Behauptung nicht nur jeder Anhaltspunkt in den Verwaltungsakten, sondern auch der Beschwerdeführer selbst hat in dieser Richtung keinerlei konkrete Tatsachen vorgebracht. Eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bescheide unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz kann demnach nicht festgestellt werden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen als den in der Beschwerde geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich festzustellen, daß der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundrechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG.), die er in seiner Rechtfertigung behauptete, in der Beschwerde selbst nicht mehr aufrecht erhalten hat. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

VfGH 3480

Gesetzlicher Richter. Ablehnung der Sachentscheidung durch eine unzuständige Behörde. Beamtenüberleitung. Gleichheit vor dem Gesetz. Das Recht auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter wird nur durch Verweigerung der Bewerbung um ein öffentliches Amt verletzt. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit bezieht sich nur auf religiöse Fragen.

Erk. v. 17. Dezember 1958, B 146/58.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Erk. des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht vom 13. Dezember 1934, ist der Beschwerdeführer, der damals Hilfsrichter des Oberlandesgerichtssprengels war, verschiedener Dienstvergehen (Betätigung für die Nationalsozialisten) schuldig befunden und „zur Disziplinarstrafe der Versetzung in den Ruhestand auf unbestimmte Zeit mit Verminderung der normalmäßigen Ruhestandsgenüsse auf 2/3″ verurteilt worden. Der Disziplinarsenat des Obersten Gerichtshofes hat in seinem Berufungserkenntnis vom 21. Februar 1935 dieselbe Strafe ausgesprochen. Ruhebezüge sind dem Genannten aber nie angewiesen worden; es wurde ihm vielmehr — offenbar in Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1921, BGBl. Nr. 735 (dies ist. aus der Begründung des erstinstanzlichen Erkenntnisses zu schließen, in dem es heißt, daß der Beschuldigte auf keinen fortlaufenden Ruhegenuß, sondern nur auf eine Abfertigung Anspruch hat) — eine Abfertigung ausbezahlt, die um ein Drittel gekürzt war. Der Beschwerdeführer wurde erst während der Okkupationszeit wieder in Dienst gestellt; er schied dann im Jahre 1940 aus dem Justizdienst des Deutschen Reiches aus und trat in den Dienst der Gemeinde Wien. „Im Zeitpunkt der Beseitigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft” (§ 8 B.-ÜG. vom 22. August 1945, StGBl. Nr. 134) stand er dort in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Mit Schreiben vom 24. Juni 1948 hat der Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich (Justizverwaltung) dem Beschwerdeführer bekanntgegeben, daß er gemäß § 18 lit. b des Verbotsgesetzes 1947 von Gesetzes wegen aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis entlassen ist, da er mit Urteil des Volksgerichtes Wien vom 29. Mai 1947 der Verbrechen nach §§ 10 und 11 des Verbotsgesetzes 1947 schuldig befunden worden war. Am 23. September 1957 stellte Dr. Herbert P. beim Präsidium des Oberlandesgerichtes Wien unter Hinweis auf § 45 der NS-Amnestie 1957, BGBl. Nr. 82, den Antrag „auf Übernahme in den Personalstand bzw. Versetzung in den Ruhestand”. Der Bundesminister für Justiz hat mit Erlaß vom 18. April 1958 (dem Beschwerdeführer mitgeteilt mit Schreiben des Oberlandesgerichtspräsidenten Wien vom 6. Mai 1958) festgestellt, daß seine Zuständigkeit zur Entscheidung über das unter Berufung auf § 45 Abs. 3 der NS-Amnestie gestellte oben umschriebene Begehren nicht gegeben ist. Der Bundesminister für Justiz hat dazu bemerkt. daß Dr. Herbert P. am 13. März 1938 in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stand, daß irgendein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur österreichischen Justizverwaltung nach dem 21. Februar 1935 niemals mehr bestanden habe, und daß Dr. P. seit 31. März 1940 Beamter der Gemeinde Wien gewesen sei; eine Übernahme auf die neuen Personalstände werde nicht in Erwägung gezogen, die Voraussetzungen für eine Versetzung in den dauernden Ruhestand lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die der Mitteilung des Bescheides durch den Oberlandesgerichtspräsidenten Wien vom 6. Mai 1958 beigefügte Entscheidung dieser Behörde, betreffend die Nachzahlung von Dienstbezügen für die Zeit vom 30. Juni 1945 bis 18. Februar 1947 ist durch die Beschwerde nicht angefochten worden.

2. Vor allem ist die Behauptung des Beschwerdeführers zu prüfen, er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Die Behauptung des Beschwerdeführers würde zutreffen, wenn die Weigerung des Bundesministers für Justiz, in der Sache zu entscheiden, nach dem Gesetz zu Unrecht erfolgt wäre (vgl. Erk. Slg. Nr. 2095/1951, 2959/1956, 3139/1956 u. a.). Dies ist aber nicht der Fall, wie nachstehende Ausführungen zeigen.

Durch die NS-Amnestie 1957 wurde bewirkt, daß Beamte, die bis dahin im Hinblick auf die Auswirkungen der NS-Gesetzgebung nicht nach dem B.-ÜG. zu behandeln waren, nunmehr auch nach diesem Gesetz zu behandeln sind, wenn sie es „bei der für die dienstrechtliche Verfügung zuständige Stelle” beantragen. Die vom Beschwerdeführer beantragte dienstrechtliche Verfügung der „Übernahme in den Personalstand bzw. Versetzung in den Ruhestand” könnte in seinem Fall nur auf Grund des § 7 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 oder 4 bzw. des § 8 Abs. 1 und 2 BXG. erfolgen. Zuständig hiefür ist lediglich eine Behörde, deren Aktivstand der Beschwerdeführer entweder am 13. März 1938 oder im Zeitpunkte der Beseitigung der NS-Gewaltherrschaft bzw. zu beiden Terminen angehört hat. Die dienstrechtliche Zuständigkeit an diesen beiden Stichtagen ist also formelle Voraussetzung für die Zuständigkeit zur Handhabung der zitierten Bestimmungen des B.-ÜG. Der Beschwerdeführer stand am 13. März 1938 in keinem österreichischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bei irgendeiner öffentlichen Dienststelle, er gehörte also damals insbesondere nicht dem Stand der aktiven Beamten im Bereich des Bundesministers für Justiz an. Er war am 13. März 1938 nicht einmal Empfänger von Ruhe- und Versorgungsgenüssen aus einem österreichischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer auf Grund von Verfügungen, die nach dem 13. März 1938 ergangen sind, den Dienst beim Oberlandesgericht Wien am 17. März 1938 angetreten hat und mit Wirkung vom 1. März 1938 in den Dienststand übernommen worden ist. Diese Verfügungen sind von Behörden des Deutschen Reiches getroffen worden; ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bei einer österreichischen Dienststelle konnte dadurch weder begründet noch wiederhergestellt werden. Der Beschwerdeführer befand sich aber auch im Zeitpunkt der Beseitigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in keinem  öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis innerhalb des Justizressorts, denn er war ja im Jahre 1940 über eigenes Ansuchen aus dem Justizdienst des Deutschen Reiches entlassen worden. Der  belangten Be- hörde fehlt demnach die Zuständigkeit, den Beschwerdeführer nach § 7 oder § 8 B.-ÜG. zu behandeln (die Behandlung im Sinne des § 8 erfolgte durch den Wiener Stadtsenat am 14. Jänner 1958 auf Grund der gleichartigen Vorschrift des § 140 der Dienstordnung für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien). Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag somit nicht „bei der für die dienstrechtliche Verfügung zuständigen Stelle” eingebracht. Die Bekanntgabe des Liquidators der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich (Justizverwaltung) vom 24. Juni 1948, betreffend die Entlassung ex lege – ob und inwieweit sie richtig war, da der Beschwerdeführer doch schon im Jahre 1940 aus dem Deutschen Justizdienst ausgeschieden ist, mag dahingestellt bleiben – ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, weil sie weder die Feststellung enthält, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Beseitigung der NS-Gewaltherrschaft im Justizdienst stand, noch eine solche Feststellung für den 13. März 1938 -zum Inhalt hat. Da die belangte Behörde eine Sachentscheidung somit zu Recht abgelehnt hat, ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden ist. Dies wäre vielmehr der Fall gewesen, wenn der angefochtene Bescheid eine Sachentscheidung, gestützt auf das B.-ÜG., zum Inhalt gehabt hätte. Die Beschwerde war demnach in diesem Punkt unbegründet.

3. a) Der Beschwerdeführer behauptet außerdem, er sei durch die Feststellung, daß er am 13. März 1938 in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden sei, im Gleichheitsrecht verletzt worden, denn es werde ihm die Zeit vom 21. Februar 1935 bis zum 31. März 1940 überhaupt nicht angerechnet. Dem muß entgegengehalten werden, daß obige Feststellung, die lediglich eine Vorfrage betraf und daher eine Gleichheitsverletzung für sich allein nicht bewirken konnte, richtig war, daß die Behörde gebunden war-sie zu treffen, und daß die Behörde u. a. dadurch weiters gebunden war, in der Hauptsache ihre Unzuständigkeit festzustellen; dies ergibt sich aus den Ausführungen unter Z. 2. Durch eine Feststellung, die zu treffen eine Behörde gesetzlich verpflichtet ist, kann das Gleichheitsrecht aber nicht verletzt werden.

b) Der Beschwerdeführer vermeint außerdem, es liege eine Verletzung des Gleichheitsrechtes in der Verweigerung der Übernahme in den neuen Personalstand. Dagegen muß betont werden, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Mitteilung der belangten Behörde, eine Übernahme in den neuen Personalstand werde in Erwägung gezogen, weder Spruchinhalt des Bescheides ist, noch eine Vorfrage betrifft. Allein schon aus diesem Grunde kann diese Mitteilung eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nicht bewirken. Sonstige Umstände, die eine Verletzung des Gleichheitsrechtes bewirken würden, sind weder geltend gemacht worden, noch im Verfahren hervorgekommen.

4. Der Beschwerdeführer macht überdies geltend, er werde durch die Nichtübernahme in den neuen Personalstand des Bundesministeriums für Justiz in seinem Recht auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter verletzt. Auch diese Behauptung kann nicht stichhältig sein. Eine Verletzung des Art. 3 SGG. ist nur gegeben, wenn die Bewerbung um ein öffentliches Amt verweigert wird (Erk. SIg. Nr. 415); dein Beschwerdeführer ist aber eine Bewerbung um ein öffentliches Amt nicht verweigert worden.

5. Der Beschwerdeführer vermeint schließlich, durch die Mitteilung, daß seine Übernahme in den neuen Personalstand nicht in Erwägung gezogen sei, auch in seinem Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt worden zu sein, weil dieses Recht im Sinne der NS-Amnestie 1957 auch für eine frühere politische Überzeugung zu gelten hat.

Abgesehen davon, daß diese Mitteilung — wie oben ausgeführt —nicht durch die Rechtskraft des Bescheides erfaßt ist, muß dieser Meinung des Beschwerdeführers entgegengehalten werden, daß sich die Freiheit des Glaubens und des Gewissens nur auf religiöse Fragen bezieht, nicht aber auch auf Fragen einer allgemeinen Weltanschauung (Erk. Slg. Nr. 1207); keinesfalls aber bezieht sich dieser Schutz auf Fragen des nationalsozialistischen Gedankengutes.

Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt verfehlt.

6. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen ergibt sich daraus, daß die Beschwerde unbegründet und somit abzuweisen war.

VfGH 3371

Bescheidbegriff. Abspruch über einen Antrag auf Schaffung und Verleihung einer Lehrkanzel. Gleichheit vor dem Gesetz. Gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter. Glaubens- und Gewissensfreiheit. Beamtenüberleitung.

Erk. v. 26. Juni 1958, B 22/58.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Sachverhalt:

DDr. Theophil M. habilitierte sich im Jahre 1930 für Deutsches Recht an der Wiener Universität. Nach 1938 wurde er mit der Supplierung der außerordenlichen Lehrkanzel für Deutsches Recht betraut, da der seinerzeitige Lehrkanzelinhaber aus rassischen Gründen zwangspensioniert wurde. Mit einem DDr. Theophil M. durch den Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät abschriftlich mitgeteilten Erlaß vom 2. Mai 1941 eröffnete der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung „nach Benehmen mit dem Stellvertreter des Führers”, daß er „dem Antrag der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien auf Ernennung des Dozenten Dr. M. zum außerplanmäßigen Professor nicht stattzugeben vermöge”. DDr. Theophil M. wurde in der Folge auch nicht zum beamteten Hochschullehrer ernannt. Die durch das Ausscheiden des ao. Universitätsprofessors Dr. G. freigewordene Lehrkanzel wurde nicht mehr besetzt.

Mit der Behauptung, daß seine Ernennung zum beamteten Hochschullehrer aus politischen Gründen, nämlich deshalb unterblieben sei, weil man ihn während des NS-Regimes als „Systemmann, Ehrenphilister des CV und überzeugten Katholiken für die Innehabung der Lehrkanzel untragbar befunden” habe und er dadurch in seiner Hochschullaufbahn geschädigt worden sei, stellte DDr. Theophil M. am 26. August 1949 zum erstenmal an den Bundesminister für Unterricht unter Berufung auf § 4 Abs. 5 B.-VG. den Antrag, dieser Schädigung durch Ernennung auf eine Lehrkanzel im Rehabilitierungsweg abzuhelfen. Dieses Ansuchen wurde in der Folge wiederholt.

Am 30. November 1957 stellte DDr. Theophil M. erneut an den Bundesminister für Unterricht den Antrag auf Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien und begründete dieses Ansuchen mit einem ihm zustehenden Wiedergutmachungsanspruch. Der Bundesminister für Unterricht antwortete darauf mit Bescheid vom 14. Dezember 1957. Der Wortlaut des Bescheides lautet:

„Auf Ihr neuerliches Ansuchen vom 30. November 1957 um Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien zur Erfüllung Ihres behaupteten Wiedergutmachungsanspruches wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1957, Zl. 2410/55, und auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 lit. a und b des Hochschul-Organisationsgesetzes vom 13. Juli 1955, BGBl. Nr. 154/1955, hingewiesen, wonach die Stellung von Anträgen für den Dienstpostenplan der Fakultät, bzw. die Erstattung von Vorschlägen für die Besetzung freier Dienst- posten für ordentliche und außerordentliche Universitätsprofessoren zum autonomen Wirkungsbereich des Professorenkollegiums gehört. Das Bundesministerium für Unterricht ist nicht in der Lage, Ihrem Ansuchen zu entsprechen.”

DDr. Theophil M. erhob am 31. Jänner 1958 gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht vom 14. Dezember 1957 beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B.-VG. gestützte Beschwerde wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter, auf Glaubens-und Gewissensfreiheit, sowie wegen Verletzung des Art. 6 des Staatsvertrages, BGBl. Nr. 152/1955.

Entscheidungsgründe:

1. Die angefochtene Erledigung der belangten Behörde vom 14. Dezember 1957 erschöpft sich nicht in dem Hinweis auf das dieselbe Angelegenheit betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1957, sie enthält vielmehr eine darüber hinausgehende Begründung für die Abweisung des Parteibegehrens, so daß ihr Bescheidcharakter zukommt.

2. Der Beschwerdeführer hat am 30. November 1957 um die Schaffung und Verleihung einer deutschrechtlichen Lehrkanzel an der Universität Wien angesucht und dieses Begehren mit einem ihm nach seiner Behauptung zustehenden Wiedergutmachungsansprache begründet.

Die Abweisung dieses Antrages wird vorerst unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bekämpft. Hiezu führt der Beschwerdeführer aus, daß er in der Zeit von 1938 bis 1945 von den Machthabern des Dritten Reiches in seiner Laufbahn zurückgesetzt worden sei. Diese Umstände hat aber die Behörde offenbar nicht zu verantworten. Es kann überhaupt nur die Frage entstehen, ob die Behörde bei der Würdigung dieser Umstände als eines Sachverhaltselementes Willkür geübt hat und dem Beschwerdeführer die aufrechte Erledigung seines Ansuchens aus unsachlichen Gründen verweigert hat, die in seiner Person gelegen sind. Die Beschwerde enthält indes keine Behauptung, welche die Deutung zuließe, daß die Behörde aus diesem Motiv das Begehren abschlägig beschieden habe. Der Vorwurf, die Behörde habe gegen den Gleichheitsgrundsatz gehandelt, ist daher in keiner Weise begründet.

Der Beschwerdeführer erachtet sich auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter verletzt (Art. 3 StGG.). Eine Verletzung dieses Grundrechtes hat aber nicht stattgefunden. Sie ist nur in jenen Fällen gegeben, in denen einer Person die Bewerbung um ein öffentliches Amt verweigert wird (vgl. VerfGH. SIg. Nr. 415, 1711 und 2982). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor.

Im weiteren stützt sich die Beschwerde auf Art. 14 StGG., welcher jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet und nach welchem der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte von dem Religionsbekenntnis unabhängig ist. Aber auch in diesem Zusammenhang wird nur Klage über die Behandlung geführt, die der Beschwerdeführer in der Okkupationszeit erfahren hat. Wieso die Behörde durch ihre Erledigung die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat und wieso die Erklärung der Behörde, dem Beschwerdeführer keine Lehrkanzel zur Verfügung zu stellen, dessen bürgerliche und politische Rechte im Zusammenhang mit seinem Religionsbekenntnis geschmälert hat, hat die Beschwerde nicht einmal anzudeuten vermocht. Es erübrigt sich daher, auf diesen Beschwerdepunkt näher einzugehen.

Der Beschwerdeführer behauptet im weiteren, daß es sich bei dem von ihm geltend gemachten Wiedergutmachungsanspruch um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht handle. Dies ist ganz und gar unrichtig. Die Bestimmungen des B.-ÜG. (StGBI. Nr. 134/1945) sind einfachgesetzlicher Art; dazu gehört auch § 4 Abs. 5., demzufolge in Fällen, in denen Bedienstete österreichischer Staatsbürgerschaft in der Zeit vom 4. März 1933 bis 27. April 1945 aus politischen Gründen in ihrer Laufbahn anderweitig geschädigt worden sind, nach Möglichkeit derart abzuhelfen ist, daß die Schädigung nicht weiter fortbesteht. Demgemäß ist ihre allfällige Nichtbeachtung nicht als eine Verfassungswidrigkeit zu beurteilen.

Die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 6 Ziff. 2 Staatsvertrag (BGBl. Nr. 152/1955) vermag an diesem Ergebnis nichts zu andern. Weder enthält das B.-ÜG. Unterscheidungen, die durch diese Bestimmung des Staatsvertrages verboten werden, noch auch hat die Behörde bei der Anwendung des Gesetzes den Beschwerdeführer in dieser Weise diskriminiert.

Nach der gegebenen Gesetzeslage kommt dem einzelnen kein Recht auf Schaffung und Verleihung einer Lehrkanzel durch das Bundesministerium für Unterricht zu. Darin, daß die Behörde ein solches Ansinnen abgelehnt hat, kann daher keine Verfassungswidrigkeit gelegen sein.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

III. Da die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung bereits genügend klargestellt sind, konnte die Entscheidung gemäß § 19 Abs. 3, letzter Satz, VerfGG. 1953 in der Fassung von BGBl. Nr. 18/1958 in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

VfGH 2944

Verfassungswidrigkeit des § 67 des Personenstandsgesetzes. Weitergeltung von Rechtsvorschriften auf Grund des vermuteten Willens des Gesetzgebers. Verstoß gegen das Recht der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, ihre inneren Angelegenheiten selbständig zu ordnen. Eheschließung als innerkirchliche Angelegenheit. Verstoß gegen das Recht der öffentlichen Religionsübung. Zum Begriff der „öffentlichen Ordnung”.

Erk. v. 19. Dezember 1955, G 9, 17/55.

§ 67 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937, RGBI. I S. 1146, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Sachverhalt:

Die Vorarlberger Landesregierung und — gesondert von ihr  — die Tiroler Landesregierung haben unter Berufung auf Art. 140 B. -VG. beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den § 67 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1947, BGBl. 1 S. 1146, in der Fassung des § 6 des Staatsgesetzes vom 26. Juni 1945, StGB1. Nr. 31, als verfassungswidrig aufzuheben. Die angefochtene Bestimmung, die durch Verordnung vom 2. Juli 1938, DRGBI. I S. 803 (Gesetzblatt” für das Land Österreich Nr. 287/1938), mit Wirkung vom 1. Jänner 1939 in Österreich eingeführt wurde, hat folgenden Wortlaut:

„(1) Wer die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, bevor die Ehe vor dem Standesamt geschlossen ist, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bestraft.

,(2) eine Bestrafung tritt nicht ein, wenn einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist.”

Entscheidungsgründe:

1. Der Verfassungsgerichtshof hatte zunächst die Frage zu beantworten, ob § 67 Personenstandsgesetz (PersStG.) überhaupt Bestandteil der wiederhergestellten österreichischen Rechtsordnung ist, da verneinenden Falles der Antrag der beiden Landesregierungen als unzulässig zurückgewiesen werden müßte.

Das Personenstandsgesetz hat die Grundgedanken des Gesetzes. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Feber 1875, DRGBL. S. 23, übernommen, das in seinem § 67 bereits eine dem § 67 des neuen Personenstandsgesetzes im wesentlichen gleiche Bestimmung enthielt. Das ältere Gesetz spricht ausdrücklich von „Geistlichen oder anderen Religionsdienern”, die zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreiten, ehe ihnen nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen ist. Demgegenüber lautet § 67 des neuen PersStG. wörtlich :

„(1) Wer die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, bevor die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen ist, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bestraft.

(2) Eine Bestrafung tritt nicht ein, wenn einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist.”

§ 67 PersStG. hat daher seinen Ursprung nicht im Gedankengut des Nationalsozialismus, sondern zieht nur die Folge aus der im Jahre 1875 erfolgten Einführung der obligatorischen Zivilehe im Deutschen Reich. Er ist — wie seinerzeit (1875) — dazu bestimmt, die Durchsetzung der obligatorischen Zivilehe und die Anerkennung der alleinigen Wirksamkeit der staatlichen Eheschließung gegenüber einer anderen Auffassung einer Kirche oder Religionsgesellschaft zu sichern. Offenbar spielte auch die Absicht des Gesetzgebers mit, zu verhüten, daß vor der staatlichen Eheschließung kirchliche Trauungsurkunden ausgestellt werden, die insbesondere im Ausland, aber auch im Inland, mißverständlich den Bestand einer staatlichen Ehe annehmen lassen. Da demnach § 67 PersStG. kein typisch nationalsozialistisches Gedankengut enthält und auch keine der sonstigen Gründe vorgelegen sind, die allein schon nach § 1 des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945, StGBl. Nr. 6, über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich (Rechts-Überleitungsgesetz) eine Aufhebung ex lege (vgl. Verfassungsgerichtshof Slg. Nr. 2620) bewirkt hätten, ist diese Bestimmung zufolge § 2 dieses Verfassungsgesetzes zunächst als österreichische Rechtsvorschrift in vorläufige Geltung gesetzt worden.

Nun ist aber am gleichen Tage wie das Rechts-Überleitungsgesetz, nämlich am 1. Mai 1945, das Verfassungsgesetz über das neuerliche Wirksamwerden des Bundes-Verfassungsgesetzes i. d. F. von 1929, StGBI. Nr. 4, beschlossen und kundgemacht worden. Damit wurden alle jene im Art. 149 des B.-VG. i. d. F. von 1929 zu Bestandteilen dieses Verfassungsgesetzes erhobenen Gesetze, u. a. das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBI. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (darunter Art. 15) sowie der Abschnitt V des III. Teiles des Staasvertrages von Saint Germain vom 10. September 1919, StGBI. Nr. 303 (darunter Art. 63), in Kraft gesetzt. § 4 des Rechts-Überleitungsgesetzes bestimmt, daß alle durch § 2 dieses Verfassungsgesetzes übernommenen ehemaligen reichsdeutschen Vorschriften rückwirkend mit 10. April 1945 als österreichische Rechtsvorschriften vorläufig in Geltung gesetzt werden. Aus dieser Tatsache zieht der Verfassungsgerichtshof den Schluß, daß der Verfassungsgesetzgeber diesen Akt der Rezeption der einfachen Gesetze zeitlich vor das Wirksamwerden des B.-VG. i. d. F. von 1929 gesetzt wissen wollte. Da § 67 PersStG. auf diese Weise mit 10. April 1945, u. zw. als einfaches Staats(Bundes)gesetz Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden war, stellt sich das am 1. Mai 1.945 wieder in Kraft getretene B.-VG. i. d. F. von 1929 als das spätere (übrigens auch als das auf höherer Stufe stehende) Gesetz dar. Selbst wenn aber hiedurch dem § 67 PersStG. derogiert worden sein sollte und daher diese Bestimmung seit 1. Mai 1945 zunächst nicht mehr Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung gewesen wäre, muß doch der Ansicht der antragstellenden Landesregierung beigepflichtet werden, daß sie nach dem 1. Mai 1945 wieder eingeführt worden ist.

Die Provisorische Staatsregierung, der damals zufolge der Vorläufigen Verfassung 1945 das ausschließliche Gesetzgebungsrecht  zustand, beschloß nämlich am 26. Juni 1945 das Staatsgesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstands-rechtes und des Erbgesundheitsrechtes, das im Staatsgesetzblatt unter der Nummer 31 am 28. Juni 1945 kundgemacht wurde. Dieses (einfache) Staatsgesetz zählte nun in seinem Abschnitt I Pkt. 2 eine Reihe von Bestimmungen aus dem Personenstandsgesetz und aus der Ersten, der Zweiten und der Vierten Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes auf. Diese wurden aufgehoben.

Unter all diesen im einzelnen zitierten und als aufgehoben erklärten Bestimmungen befindet sich jedoch nicht der § 67 PersStG. Dagegen findet sich im Abschnitt II dieses Gesetzes unter § 6 folgende Bestimmung:

„Wegen Vornahme einer kirchlichen Eheschließung vor Abschluß einer standesamtlichen Ehe in der Zeit vom 1. April 1945 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes findet eine Bestrafung gemäß § 67 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937, DRGBI. I S. 1146 (GBI. f. d. Land Österreich Nr. 287/1938), nicht statt.”

Der Verfassungsgerichtshof zog aus diesem Verhalten des einfachen Gesetzgebers den Schluß, daß dieser den § 67 des PersStG. als geltendes Recht behandelt wissen wollte und ihn, wenn auch nicht expressis verbis, wieder eingeführt hat. (Ähnlich die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 2683, 2778 sowie vom 9. Dezember 1955, Slg. Nr. 2909 und vom 13. Dezember 1955, Slg. Nr. 2919) Der Verfassungsgerichtshof kam daher zu dem Ergebnis, daß § 67 des PersStG. Bestandteil des geltenden Rechtes ist.

Die Entscheidung in der Sache selbst erfordert zunächst die Lösung der Frage, ob § 67 PersStG. verfassungswidrig ist oder nicht. Als Verfassungsbestimmungen, mit denen der angefochtene § 67 des PersStG. in Widerspruch stehen kann, kommen nach ihrem Inhalt vor allem zwei Bestimmungen in Betracht, nämlich Art. 15 StGG., wonach den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, der Ordnung und selbständigen Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten unter Unterwerfung unter die allgemeinen Staatsgesetze zusteht und Art. 63 Satz 2 des Staatsvertrages von Saint Germain, der allen Einwohnern Österreichs das Recht gewährleistet, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten unvereinbar ist.

Was nun Art. 15 StGG. betrifft, so ist daran kein Zweifel möglich, daß die religiösen Feierlichkeiten der Eheschließung aller gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, von unbeachtlichen Einzelfällen abgesehen, einen Akt gemeinsamer öffentlicher Religionsübung dieser Religionsgemeinschaften darstellen. § 67 PersStG. stellt aber eine Einschränkung dieses den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften eingeräumten Rechtes der freien Religionsübung dar.

Darüber hinaus  ist noch zu beachten, daß seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiete vom 6. Juli 1938, DRGBI. 1 S. 807, am 1. August 1938 eine für den staatlichen Rechtsbereich gültige Ehe nur zustande kommt, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden oder von einer Person, die, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standesbeamten öffentlich ausübt und die Ehe in das Familienbuch eingetragen hat. Daraus ergibt sich, daß die Eheschließung vor einem Organ einer Religionsgemeinschaft lediglich die Bedeutung eines Vorganges im religiösen Bereich hat, dem keinerlei Wirkung für den staatlichen Rechtsbereich zukommt. Dieser Vorgang gehört demnach dem Bereiche der inneren Angelegenheiten der betreffenden gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft an. Art. 15 des StGG. hat jedoch den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften verfassungsmäßig das Recht gewährleistet, ihre inneren   Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Die Vornahme religiöser Feierlichkeiten und insbesondere die Bestimmung ihres Zeitpunktes gehört nun in den Bereich der selbständigen Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft. Auch in dieser Hinsicht schränkt § 67 des PersStG. dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ein.

Das den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften durch Art. 15 StGG. verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung und der Ordnung und selbständigen Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten darf jedoch nicht durch ein einfaches Gesetz beschränkt werden. Daran ändert auch der Vorbehalt in Art. 15 StGG., daß sie „wie jede Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen sind”, nichts, denn er erlaubt eine Beschränkung durch einfaches Bundesgesetz nur unter der Voraussetzung, daß damit jede Gesellschaft im Staate getroffen wird. Daß § 67 PersStG. sich nicht gegen alle Gesellschaften richtet, bedarf keiner weiteren Begründung.

§ 67 PersStG. ist somit in Ansehung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (Art. 15 StGG.) verfassungswidrig.

Die Rechtslage auf dem Gebiete der religiösen Freiheiten hat nun durch Art. 63 des Staatsvertrages von Saint Germain eine Erweiterung erfahren; seither steht nämlich allen Einwohnern Österreichs ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht zu, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Bekenntnis oder Religion frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung und mit den guten Sitten unvereinbar ist. Die Vornahme der religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung durch einen Religionsdiener ist eine Übung des betreffenden Glaubens (der Religion ‘ oder des Bekenntnisses) ebenso wie die Teilnahme der Ehewerber an dieser Feierlichkeit. Ihre freie Übung steht deshalb auch unter dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Art. 63 des Staatsvertrages von Saint Germain und lassen § 67 des PersStG. auch in dieser Hinsicht verfassungswidrig erscheinen, sofern nicht etwa dieser Religionsübung die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten entgegenstehen.

Der Verfassungsgerichtshof ist nun nicht der Meinung, daß der Begriff „öffentliche Ordnung” der Rechtsordnung schlechthin gleichzustellen ist, weil ansonsten die einfache Gesetzgebung es in der Hand hätte, die im Art. 63 des Staatsvertrages von Saint Germain verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Religionsübung jederzeit zu beseitigen oder zu beschränken. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist vielmehr der Begriff „öffentliche Ordnung” der Inbegriff der die Rechtsordnung beherrschenden Grundgedanken. Bezogen auf die zur Entscheidung stehende Frage wird deshalb der Begriff „öffentliche Ordnung” von den im österreichischen Verfassungsrecht niedergelegten Prinzipien der Glaubens- und Gewissensfreiheit beherrscht. Die solcherart verfassungsmäßig gewährleistete Übung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, wozu die Vornahme religiöser Feierlichkeiten einer Eheschließung gehört, kann sohin nicht der öffentlichen Ordnung widersprechen. Die Frage der Unvereinbarkeit einer Kulthandlung mit den guten Sitten kann im Zusammenhang mit § 67 des PersStG. überhaupt nicht aufgeworfen werden, da sich der Rechtsgehalt dieser Bestimmung in der Normierung eines Zeitpunktes für die Vornahme der religiösen Feierlichkeit einer Eheschließung erschöpft.

Angesichts dieser Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob § 67 PersStG. auch gegen den nach Art. 7 B.-VG. in der Fassung von 1929 verfassungsgesetzlich geschützten Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, bzw. gegen das im Art. 14 StGG. gesondert verfassungsmäßig gewährleistete Recht der vollen Glaubens-und Gewissensfreiheit verstößt.

§ 67 des PersStG. vom 3. November 1937, DRGBl. I S. 1146, war daher wegen des Widerspruches mit Art. 15 StGG. und Art. 63 Abs. 2 des Staatsvertrages von Saint Germain als verfassungswidrig aufzuheben.

VfGH 2610

Verletzung des Versammlungsrechtes. Versammlungen von An‑
hängern gesetzlich nicht anerkannter Religionsgesellschaften.
Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Versammlungssachen kann
vor dem VerfGH. geltend gemacht werden.

Erk. v. 14. Dezember 1953, B 92/53.

Durch den angefochtenen Bescheid ist die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrecht verletzt worden. Der Bescheid wird daher als verfassungswidrig aufgehoben.

Entscheidungsgründe :

Die Beschwerdeführerin, die mit dem angefochtenen, im Berufungs­weg ergangenen Bescheid der Übertretung nach § 2 des Versammlungs­gesetzes, RGBI. Nr. 135/1867, schuldig erkannt worden ist, weil sie als Vertreterin der Wachtturmgesellschaft eine öffentliche Ver­sammlung abgehalten hat, ohne sie bei der Behörde schriftlich ange­zeigt zu haben, fühlt sich hiedurch in den durch Art. 12 und 13 StGG., RGBI. Nr. 142/1867, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der Versammlungsfreiheit und der freu Meinungsäußerung verletzt. Sie bestreitet den von der Behörde  angenommenen Tat­bestand nicht, sondern macht in erster Linie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, weil der Vortrag als Übung eines religiösen Bekenntnisses zu werten sei, die nach § 5 des Versammlungsgesetzes von dessen Bestimmungen ausgenommen sei, weshalb es einer vorher­gehenden schriftlichen Anzeige an die Behörde nicht bedurft habe. Das Verfahren sei aber auch mangelhaft, weil die Behörde keine Zeugen darüber einvernommen habe, wie sich diese Versammlung abgespielt habe.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde aus folgenden Erwägungen für begründet gefunden:

Nach § 5 des Versammlungsgesetzes vom 15. November 1867, RGBI. Nr. 135, sind u. a. Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus, wenn sie in der her­gebrachten Art stattfinden, von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen. Diese Bestimmung hat — wie der Verfassungsgerichts­hof erst jüngst in seinem Erk. vom 24. März 1953, B 185/52, aus­gesprochen hat — insofern eine grundlegende Erweiterung erfahren, als gemäß Art. 63 Abs. 2 und Art. 67 des Staatsvertrages von St.-Germain das Recht der öffentlichen Religionsübung heute nicht mehr bloß, wie dies Art. 15 StGG. bestimmt hatte, den Angehörigen der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zu­steht, sondern daß alle Einwohner Österreichs berechtigt sind, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist. Es sind daher heute auch Versammlungen von Anhängern gesetzlich nicht anerkannter Religionen, sofern sie der Übung eines religiösen Bekenntnisses dienen und „in der hergebrachten Art stattfinden”, von den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes ausgenommen.

Nun hat die Beschwerdeführerin, die zu einem in einem Gasthaus stattfindenden „öffentlichen Vortrag” eingeladen hatte, bei ihrer Vernehmung im Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich darauf hin­gewiesen, (daß es sich bei diesem „öffentlichen Vortrag” um eine Religionsausübung der Zeugen Jehovas gehandelt habe, die nicht unter die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes falle. Daß die Abhaltung von Vorträgen religiösen Inhaltes einen sehr wesent­lichen Bestandteil von Kultushandlungen, und damit der Übung von Glauben, Religion und Bekenntnis im Sinne des Art. 63 Abs. 2 des Staatsvertrages von St.-Germain, bilden kann, hat der Ver­fassungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 2002 ausgesprochen. Der Verfassungsgerichtshof hat dieser Feststellung aber gleichzeitig hinzugefügt, daß ein solcher Vortrag allein noch nicht genüge, um eine Versammlung als eine solche zur Übung eines religiösen Bekennt­nisses erkennen zu lassen. Die Übung eines solchen Bekenntnisses setze darüber hinaus die Ausbildung eines, wenn auch zunächst primitiven Kultus voraus. Die Behörde hat es nun unterlassen, irgendwelche Erhebungen in der Richtung zu pflegen, ob die Be­hauptung der Beschwerdeführerin, es habe sich — im Sinne des vorbezeichneten Erkenntnisses — um eine Religionsübung der Zeugen Jehovas gehandelt, der Wahrheit entsprochen hat. Sie ist nur von der Meldung der Gendarmerie ausgegangen, die, ohne über die Vor­gänge bei der Veranstaltung irgendwelche Angaben zu machen, der Veranstaltung den Charakter einer Religionsübung im Hinblick auf die Art der Einladung — Verteilung gedruckter Zettel mit der Aufschrift: „Die Wahrheit, wo ist sie zu finden?” an Wohnparteien ohne Unterschied der Glaubenszugehörigkeit — abgesprochen hat. Es bedarf wohl keiner näheren Begründung, daß der Charakter einer Veranstaltung  ob anzeigepflichtige Versammlung oder Übung eines religiösen Bekenntnisses — nicht allein nach der Form, in der die Einladung erfolgt, beurteilt werden kann, sondern daß hiefür Art und Inhalt der Veranstaltung, mithin die Vorgänge, die sich hiebei abspielen, maßgebend sind. Die Unterlassung jeglicher Er­hebung in dieser Richtung läßt das Verfahren mangelhaft erscheinen. Nun steht vorliegenden Falles die Frage der richtigen Anwendung des Versammlungsgesetzes zur Entscheidung, eine Frage, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt, wes­halb der Verfassungsgerichtshof auch zur Wahrnehmung von Ver­fahrensmängeln berufen ist. Da sich der unterlaufene Mangel als wesentlich darstellt, weil die Behörde bei Durchführung entsprechender Erhebungen vielleicht zu einem anders lautenden Spruch hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechtes auf­zuheben.