Ad 1. Wesentliche Verpflichtungen der Ehe („obligationes matrimonii essentiales“)
Matthäus’ Verhalten während der Ehe weist Defizite im Hinblick auf eheliche Verpflichtungen auf: In den depressiven Phasen trägt er nichts zum ehelichen und familiären Leben bei. Das betrifft das Gattenwohl und die Gemeinschaft des ganzen Lebens (c. 1055 § 1 CIC). Zudem verweigert er sich der Therapie seines kranken Kindes, was die Pflicht zur leiblichen und sittlichen Erziehung verletzt (c. 1136 CIC). Schließlich versucht er, seine Frau vom Gebetskreis abzuhalten, was wiederum das Gattenwohl betrifft.
Ad 2. Übernahme („assumere“)
Aus dem Sachverhalt geht klar hervor, dass Matthäus wesentliche Verpflichtungen dauerhaft nicht erfüllt hat. Nun ist zu prüfen, ob er gar nicht fähig war, sie zu übernehmen, oder ob er sie aus einem anderen Grund nicht erfüllt hat. Wenn er nicht fähig war, sie zu übernehmen, konnte er sich auch nicht dazu verpflichten.
Ad 3. Unfähigkeit („non valent“)
Matthäus strengte sich zwar an, fiel aber immer wieder in seine Phasen zurück. Laut Sachverständigengutachten war es ihm unmöglich, auf Dauer engere Bindungen einzugehen. Das bedeutet, dass es sich nicht um bloße Schwierigkeiten handelte, die er mit einiger Bemühung hätte überwinden können, sondern um eine echte Unfähigkeit.
Ad 4. Aus psychischen Gründen („ob causas naturae psychicae“)
Die Erblindung ist keine psychische Ursache, sondern betrifft die physische Integrität des Körpers. Das damit verbundene Trauma ist aber sehr wohl psychischer Natur. Gleiches gilt für die daraus resultierende und im Gutachten diagnostizierte depressive und asoziale Störung.
Ad 4a. Vorausgehend
Das Trauma liegt in der Matthäus’ Kindheit. Die davon verursachte psychische Störung ging der Ehe schon voraus. Sie zeigte sich bereits vor der Eheschließung darin, dass Matthäus die Gemeinschaft im Priesterseminar und im Kloster nicht ertrug. Ebenso zeigte sie sich in den geschilderten Verhaltensweisen während der Ehe. Somit kann festgestellt werden, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung vorlag.
Ad 4b. Kausalität
Laut Gutachten führt die Störung zu dem Unvermögen, auf Dauer engere Bindungen einzugehen. Genau dies wäre in der Ehe aber erforderlich, weil sie eine Gemeinschaft des gesamten Lebens darstellt. Die Störung ist somit ursächlich für die Eheführungsunfähigkeit.
Ergebnis
Da alle Tatbestandsmerkmale des c. 1095 Nr. 3 CIC erfüllt sind, ist festzustellen, dass die Ehe zwischen Matthäus und Maria nichtig ist wegen Eheführungsunfähigkeit auf Seiten des Mannes.