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VfGH, Erkenntnis 10.10.2019, G152/2019 - Bevorzugung konfessioneller Privatschulen
Der Erkenntnis lag eine Beschwerde über die gesetzliche Bevorzugung konfessioneller gegenüber nicht-konfessionellen Privatschulen zugrunde. Der VfGH stellte fest, dass konfessionellen Privatschulen im österreichischen Schulsystem von jeher eine besondere Stellung zukommt; für die katholische Kirche folgt dies vor allem aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen im Konkordat von 1934 sowie dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich von 1962. Auch die Europäische Kommission für Menschenrechte hielt eine besondere Förderung konfessioneller Schulen insoweit für gerechtfertigt, als diese im österreichischen Erziehungssystem weit verbreitet seien und eine hohe Anzahl von Schülern unterrichteten.
Die Zumessung einer besonderen Stellung konfessioneller Privatschulen in § 18 PrivatschulG liegt somit innerhalb des dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes. Auch die in § 21 PrivatschulG normierte Beschränkung der staatlichen Subventionierung auf Privatschulen, die in größerem Ausmaß dem öffentlichen Schulsystem entsprechen, überschreitet diesen Gestaltungsspielraum nicht.
VfGH, Erkenntnis 23.09.2019, E450/2019 - Beurteilung der inneren Glaubensüberzeugung als Asylgrund
Der VfGH hat in dieser Erkenntnis klargestellt, dass für die Beurteilung, ob es sich bei einer Konversion um eine reine Scheinkonversion, bspw. zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, handelt, auf die Frage der inneren Glaubensüberzeugung des Antragstellers ankommt. Die Glaubwürdigkeit der Konversion ist dabei anhand von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Bewerbers zu seinen religiösen Aktivitäten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln; es genügt nicht, nur die Überzeugungskraft des Beweggrundes zur Konversion zu beurteilen. Vielmehr sind in die Gesamtbetrachtung auch weitere Aspekte wie das Wissen um das Christentum, Gottesdienstbesuche und andere religiöse Aktivitäten, Aussagen von Lebenspartnern, Freunden und auch Geistlichen vollständig miteinzubeziehen.
VfGH, Erkenntnis 13.03.2019, E3830/2018 ua - Verbot der Finanzierung von Religionsgesellschaften aus dem Ausland
Es liegt im öffentlichen Interesse, dass gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften ihre Selbständigkeit und staatliche Unabhängigkeit wahren und die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch finanzielle Mittel aus dem Inland sichern können. Die Regelung des § 6 Abs. 2 IslamG 2015, die Einflussnahmen anderer Staaten und ihrer Einrichtungen auf die Autonomie der in Österreich tätigen Religionsgesellschaften hindert, stellt vor diesem Hintergrund keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 EMRK dar. Das vorliegende Verbot der Mittelaufbringung durch eine laufende Finanzierung aus dem Ausland ist hinreichend bestimmt und unbedenklich und steht im Übrigen auch mit Art. 14 EMRK und Art. 7 B-VG im Einklang.
VfGH, Erkenntnis 24.09.2018, E3106/2018 - Recht auf mündliche Verhandlung im Asylverfahren
Für die Beurteilung einer mutmaßlichen Scheinkonversion zum Zweck der Erlangung von Asyl ist die Frage der inneren Glaubensüberzeugung des Antragstellers entscheidend; für deren Feststellung wiederum ist der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich. Diesen Eindruck vermag nur die Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung zu vermitteln. Unterlässt das erkennende Gericht die mündliche Verhandlung, so verletzt es den Beschwerdeführer in seinen durch Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.
VfGH, Erkenntnis 10.10.2017, G419/2016 - Anerkennung von Kirchen und Religionsgesellschaften
Das Bundes-Verfassungsgesetz hat seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1920 erstinstanzliche Zuständigkeiten eines Ministers zur Entscheidung über die Anerkennung einer Religionsgesellschaft vorgesehen. Auch weiterhin dürfen daher Entscheidungen in Angelegenheiten des Kultus von der Ministerialinstanz besorgt werden. § 2 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (RelBekGemG) steht insofern mit allen übrigen diesbezüglichen Regelungen in vollem Einklang und bedeutet auch keine Aushöhlung der mittelbaren Bundesverwaltung. Es ist verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, dem Bundesminister Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen und ihm zu gestatten, sich zur Besorgung solcher Aufgaben auch ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane zu bedienen.
VfGH, Erkenntnis 11.3.2015, E717/2014 - Schutz religiöser Gefühle vor Beleidigung durch Dritte
Dieser Fall betrifft die Demonstration „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus“ am Karsamstag in der Linzer Innenstadt. Drei Holzkreuze sollten dabei von Aktivisten mit Tiermasken getragen werden. Letzteres wurde durch Bescheid untersagt.
Der Verfassungsgerichtshof ist vorerst der Auffassung, dass der Karsamstag und die an diesem Tag traditionellen christlichen Feierlichkeiten ebenso wie das Totengedenken zu Allerheiligen als religiöser Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt sind. Diese Religionsausübungsfreiheit gegen gezielte Störungen durch Dritte zu schützen, ist der Staat verpflichtet. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist gemäß Art. 9 EMRK unter dem Titel “Religionsausübungsfreiheit” auch der Schutz religiöser Gefühle vor Beleidigung durch Dritte zu verstehen.
Bei widerstreitenden Interessen haben die zuständigen Behörden eine Interessensabwägung verpflichtend durchzuführen.
Einzelaspekte: Keine physische Behinderung von Kirchenbesuchern, keine Behinderung des Zutritts zu Kirchen, keine derart lärmende Kundgebung, dass die Religionsausübung behindert gewesen wäre; sehr wohl aber Hinweis auf das Leid von Tieren, der Kirchenbesucher verstören kann.
Überschreitet der Einsatz dieses Mittels die von § 188 StGB normierte Schwelle, dann ist die Gefährdung auch des öffentlichen Wohls i.S.d. § 6 VersammlungsG gegeben und die Untersagung einer derartigen Kundgebung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten.
Im gegebenen Fall erkannte der VfGH eine Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit, weil weder die öffentliche Sicherheit bedroht noch Strafgesetze verletzt wurden.
VfGH, Erkenntnis 29.11.2014, B150/2013 - Karfreitag: Schweigeminute im öffentlichen Rundfunk
In diesem Fall geht es um die Abhaltung einer Schweigeminute zum Gedenken an den Kreuzestod Christi im Fernsehprogramm ORF 2 sowie in allen Hörfunkprogrammen: Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 12 ORF-G hat der ORF durch die Gesamtheit seiner gemäß §3 verbreiteten Programme und Angebote für die angemessene Berücksichtigung der Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zu sorgen. Die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt durch das ORF-G ist bereits durch Art. I Abs. 2 BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks geboten. Dabei geht es einerseits um grundrechtliche Positionen jener Personen, die religiöse Sendungen und Sendungsinhalte empfangen möchten; andererseits kann auch die (negative) Religionsfreiheit von Personen berührt sein, die einer Glaubenswerbung ausgesetzt sind. Es besteht sowohl ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers als auch ein redaktioneller Spielraum. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Schweigeminute im Programm des ORF einen Eingriff in die Religionsfreiheit des Beschwerdeführers darstellen könnte.
VfGH, Erkenntnis 7.10.2014, B905/2013 - Sachliche Differenzierung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgesellschaften
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Ausgaben in § 18 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 auf verpflichtende Beiträge an Kirchen und gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften eine sachlich nicht begründete Privilegierung gegenüber solchen Vereinen beinhalte, die einer aufgeklärten, humanistischen Weltanschauung verpflichtet seien.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Gegen die Differenzierung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgesellschaften bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da diese vielmehr durch Art. 15 StGG verfassungsgesetzlich vorgegeben ist.
Bei der Festlegung und Ausgestaltung von Sonderausgabentatbeständen verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Spielraum, den er nicht überschritten hat. Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er an die gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft anknüpft und nicht an die bloße Behauptung einer Vereinigung, die Voraussetzungen für die Begünstigung zu erfüllen.
VfGH, Erkenntnis 22.09.2014, U2193/2013 - Konversion als Nachfluchtgrund
Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Konversion vom Islam zum Christentum kann ein Nachfluchtgrund sein. Der Asylgerichtshof hätte sich einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen sollen, inwieweit der Religionswechsel aus innerer Überzeugung oder lediglich zum Schein erfolgt ist.
VfGH, Erkenntnis 12.12.2013, U2272/2012 - Konversion im Asylverfahren
Der Beschwerdeführer ist ein aus dem Iran stammender Asylwerber, der vom Islam zum Christentum konvertiert ist. In der Entscheidung des Asylgerichtshofs erkennt der VfGH eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Nr. III.1). Die Religionsfreiheit wurde in die Erwägungen einbezogen, aber ihre Verletzung nicht geprüft. Religionsrechtlich relevant ist jedoch die folgende Passage: „Sobald – wie im Falle des Beschwerdeführers – auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich der Asylgerichtshof auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (Nr. II.3.2).
VfGH Erkenntnis 27.11.2013, B1168/2012 - Religionszugehörigkeit Zugezogener
Der Beschwerdeführer wurde in Schweden in die Schwedische Kirche getauft. Bei der Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich gab er auf dem Meldezettel als Religionsbekenntnis „evangelisch“ an. In der Folge wurde er als Mitglied der Evangelischen Kirche A.B. geführt. Mit 28.12.2010 trat er aus der Schwedischen Kirche aus. Mit Bescheid des zuständigen Bezirkshauptmanns wurde festgestellt, dass er seit diesem Datum nicht mehr Angehöriger der Evangelischen Kirche A.B. war. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, dass er nie Mitglied der Evangelischen Kirche A.B. gewesen sei.
Der VfGH erkennt keine Verletzung der Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK oder Art. 14 Abs. 1 StGG. Aufgrund der Angabe des Beschwerdeführers auf dem Meldezettel, und aufgrund der institutionellen Zusammenarbeit zwischen der Schwedischen Kirche und der Evangelischen Kirche A.B., durch die eine schwedische Pfarrgemeinde in Wien gegründet wurde, hatte die Behörde ausreichende Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Beschwerdeführer als Mitglied der Schwedischen Kirche mit der Verlegung seines Wohnsitzes nach Österreich auch Mitglied der evangelischen Pfarrgemeinde am Ort seines neuen Wohnsitzes geworden ist (vgl. Nr. III.5.5).
Der VfGH prüfte jedoch nicht die Frage, ob der Austritt aus der Schwedischen Kirche vom 28.12.2010 auch automatisch den Austritt aus der Evangelischen Kirche A.B. bedeutet. Damit ist auch die Frage nicht beantwortet, ob die Austrittserklärung vor einer ausländischen Behörde in Österreich wirksam ist.
VfGH Beschluss 20.6.2012, G142/11 - Weltanschaulicher Verein ist keine Religionsgesellschaft
In seinem Antrag brachte ein weltanschaulicher Verein vor, dass die Beiträge, die er seinen Mitgliedern vorschreibt, nicht wie die Beiträge zu gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, steuerlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden können. Der Verein ist jedoch nicht antragslegitimiert, da er weder Normadressat des entsprechenden § 18 Abs. 1 Z. 5 EStG ist noch darzutun vermochte, dass diese Bestimmung in seine Rechtssphäre eingreift. Sie zeitigt allenfalls wirtschaftliche Reflexwirkungen.
VfGH Erkenntnis 14.6.2012, G66/11 - Sonntagsruhe u.a. durch religiöse Gründe legitimiert
Mehrere Gesellschaften fechten Bestimmungen des ÖZG zum Schutz der Sonntagsruhe an.
§ 4a Abs. 2 ÖZG enthält eine Ermächtigung an den Landeshauptmann, Ausnahmen vom Sonntagsöffnungsverbot durch Verordnung festzulegen. Diese Bestimmung kann nicht unmittelbar angefochten werden, weil sie sich an ein Verwaltungsorgan richtet und erst durch die konkrete Verordnung für deren Adressaten wirksam wird. Der diesbezügliche Antrag wird daher als unzulässig zurückgewiesen.
Nach § 3, § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 ÖZG dürfen Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr nur in Ausnahmefällen offengehalten werden. Die Erwerbs(ausübungs)freiheit nach Art. 6 StGG beschränkende Regelungen sind nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Die Ziele des Ladenschlusses an Wochenenden liegen in der sozial- und familienpolitischen Funktion, der Erholung der arbeitenden Bevölkerung und religiösen Gründen (Nr. 3.1). Die Ladenschlussregelungen sind geeignet, diese Ziele zu erreichen und bilden keine unverhältnismäßige Beschränkung. Der diesbezügliche Antrag wird daher als unbegründet abgewiesen.
VfGH Beschluss 28.11.2011, B1220/11 - Bestellung geistlicher Amtsträger ist innere Angelegenheit
Ein Pfarrer, der in den Wartestand versetzt wurde, kann gegen die Entscheidung des Evangelischen Oberkirchenrats H.B. keinen Individualantrag an den VfGH richten. Die Berufung von Personen in das geistliche Amt ist eine innere Angelegenheit von gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften gemäß Art. 15 StGG. Soweit ihre Organe eine innere Angelegenheit ordnen oder verwalten, sind sie keine staatlichen Behörden. Den staatlichen Organen ist jede Kompetenz zu Gesetzgebung und Vollziehung in inneren Angelegenheiten genommen.
VfGH Erkenntnis 9.3.2011, G287/09 - Kreuz im Kindergarten verletzt nicht die negative Religionsfreiheit
Der Individualantrag wurde von einem Vater und seiner einen Kindergarten besuchenden Tochter gestellt. Der Antrag, die Zielbestimmung der religiösen Erziehung im niederösterreichischen Kindergartengesetz aufzuheben, wird als unzulässig zurückgewiesen, da sie nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreift.
Der Antrag, den § 12 Abs. 2 des Kindergartengesetzes aufzuheben, wonach in allen Gruppenräumen ein Kreuz anzubringen ist, wenn die Mehrzahl der Kinder des Kindergartens einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, wird als unbegründet abgewiesen.
Im Hinblick auf die Religionsfreiheit wird dies folgendermaßen begründet: Das Kreuz wird nicht in der Absicht angebracht, die Kinder in eine bestimmte religiöse Richtung zu beeinflussen (Nr. V.2.3). Ihm kann nicht die staatliche Äußerung einer Präferenz für eine bestimmte Religion zugesonnen werden. Es ist zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden und ist darüber hinaus ein religiöses Symbol christlicher Kirchen (Nr. V.2.4). In einem vom Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche geprägten System scheidet die Deutung des Kreuzes als Ausdruck eines Staatskirchentums von vornherein aus (Nr. V.2.4.2). Die Deutungshoheit liegt beim einzelnen Kind bzw. dessen Eltern; die Anbringung eines Kreuzes bringt daher keine staatliche Glaubensüberzeugung zum Ausdruck (Nr. V.2.4.3). Der bloße Anblick eines Kreuzes begründet nicht die Pflicht zur Identifikation oder zu einer religiösen Handlung (Nr. V.2.5). Selbst wenn man einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit bejahen würde, wäre dieser nicht unverhältnismäßig. Er wäre durch die Rechte und Freiheiten jener Kinder und Eltern geschützt, die eine Erziehung unter Einsatz des religiösen Symbols wünschen, und ist zudem in den bundes- wie landesverfassungsrechtlich determinierten Erziehungs- und Bildungsauftrag eingebettet (Nr. V.2.6). Der Mehrzahlklausel liegt bereits eine Abwägung zwischen den divergierenden Rechten zugrunde.
Im Hinblick auf das Recht auf Bildung verweist der VfGH auf seine Ausführungen zur Religionsfreiheit.
VfGH Beschluss 16.12.2010, B1575/09 ua - Mitgliedschaft in der IGGiÖ
Der Beschwerdeführer, Präsident des Islamischen Informations- und Dokumentationszentrums Österreich, führt aus, am 10. März 1995 dem Islam beigetreten zu sein, doch wird seine Mitgliedschaft von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) abgelehnt. Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid der BMUKK vom 22.10.2009, mit dem die Verfassung der IGGIÖ samt Wahlordnung und Kultusumlagenordnung genehmigt wurde. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer keine Parteistellung besitzt, in seiner subjektiven Rechtssphäre nicht berührt und nicht Adressat des angefochtenen Bescheides ist.
VfGH Erkenntnis 1.12.2010, B1214/09 - Aleviten als religiöse Bekenntnisgemeinschaft / gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft
Beschwerdeführer ist der Kulturverein der Aleviten. Er stellte den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft und auf Anerkennung als gesetzliche Religionsgesellschaft. Beide Anträge wurden vom BMUKK mit Bescheid abgewiesen. Hinsichtlich des zweiten Aspekts erfolgte die Abweisung zu Recht, da die Voraussetzung dafür der Bestand als Bekenntnisgemeinschaft ist (Nr. III). Hinsichtlich des ersten Aspekts wird der Bescheid aufgehoben. Die Behörde argumentierte auf der Grundlage des IslamG und der IslamVO damit, dass nur eine einzige islamische Religionsgesellschaft anerkannt werden könne. Damit unterstellte sie diesen Rechtsvorschriften aber einen Inhalt, der der Religionsfreiheit widerspricht (Nr. IV.3.3).
VfGH Erkenntnis 25.9.2010, G58/10 ua - Gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft (evangelikale Gemeinden, Mennoniten)
B1223/09: Beschwerdeführer ist der „Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich“
B1581/09: Mennonitische Freikirche Österreichs
Beide Beschwerdeführer beantragten die gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft. Beide Anträge wurden vom BMUKK abgewiesen, da die Fristen gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG und die Mindestmitgliederzahl gemäß Z. 2 nicht erfüllt waren. Der VfGH prüfte die Fristen nun von Amts wegen und hob sie als verfassungswidrig auf. Dieses Erkenntnis richtet sich nicht gegen die Frist an sich, sondern gegen deren Dauer und das Fehlen einer Ausnahmemöglichkeit (Nr. III.5). Die Notwendigkeit eines Bestandes als Religionsgemeinschaft durch 20 Jahre ist nicht gerechtfertigt, da die Voraussetzungen bereits im Verfahren nach dem BekGG zu überprüfen sind (Nr. III.2.2). Ebenso wenig ist der Bestand als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft durch 10 Jahre notwendig, da eine Überprüfung des dauernden Bestandes ohnehin schon im AnerkennungsG gefordert ist (Nr. III.3.3). Eine verfassungskonforme Interpretation in dem Sinn, dass der Bestand nicht in organisierter Form verlangt ist, scheidet aus, da der Begriff „Bestand“ bereits eine gewisse Verfasstheit voraussetzt.
VfGH Erkenntnis 25.9.2010, B1223/09 - Eingetragene Bekenntnisgemeinschaft (Evangelikale Gemeinschaften)
Beschwerdeführer ist der Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich.
Die Entscheidung nimmt Bezug auf das Erkenntnis zu G58/10 vom selben Tag (s.o.). Da die Fristen gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG bereits von Amts wegen aufgehoben wurden, besteht in dieser Hinsicht kein Anlass mehr zur Anwendung (Nr. II.2). Was hingegen die Mindestmitgliederzahl gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 BekGG betrifft, bestehen keine Bedenken ob ihrer Verfassungsmäßigkeit (Nr. II.3). Die Beschwerde wird daher als unbegründet abgewiesen.
VfGH Erkenntnis 25.9.2010, B1581/09 - Eingetragene Bekenntnisgemeinschaft (Mennonitische Freikirche)
[Wie B1223/09, aber zur Mennonitischen Freikirche Österreichs]
VfGH Erkenntnis 4.3.2010, GZ B1928/07 - Religiöse Beeinflussung in Volksschule
Die Beschwerdeführerin beeinflusste als Volksschullehrerin die Schüler im Sinne des Gedankengutes der Glaubensgemeinschaft “Jedidja”. Daraufhin wurde sie vom Dienst suspendiert. Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerde ab, soweit sie sich auf Art. 9 EMRK bezieht, da das Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen lässt, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (II.2).
VfGH Erkenntnis 16.12.2009, GZ B516/09 - Gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft (2-Promille-Grenze)
Der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten wurde die Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft versagt, weil ihr nicht mindestens 2 Promille der österreichischen Bevölkerung angehören, wie es § 11 Abs. 1 Z. 2 BekGG verlangt. Dieses Erfordernis ist jedoch nicht unsachlich, da gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften nicht nur Rechte, sondern auch Aufgaben haben, zu deren Erfüllung ein gesicherter Bestand und die finanzielle Selbsterhaltungsfähigkeit notwendig sind (III.2.1). Die Einführung einer Promille-Grenze mit dem Ziel, diese Voraussetzungen sicherzustellen, entspricht dem sachlichen Zweck einer leichten Handhabbarkeit und ist an sich nicht unsachlich (III.2.2). Dass früher Religionsgesellschaften durch Gesetz anerkannt wurden, die diese Grenze nicht erreichen, schadet nicht, da dies vor Inkrafttreten des BekGG geschah. Im Falle der Koptisch-Orthodoxen Kirche geschah es zwar danach, jedoch vor dem Hintergrund, dass andere orientalisch-orthodoxe Kirche schon seit längerer Zeit anerkannt waren (III.2.4). Es liegt daher keine Verletzung der Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) und des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG) vor.
VfGH Erkenntnis 2.7.2009, GZ B1397/08 - Gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften: Steuerbefreiung während zu langer Wartefrist
Die beschwerdeführende Partei (Jehovas Zeugen) war bis Mai 2009 eine in Österreich staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft und damit nicht von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit, wie es gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften sind. Nach dem Urteil des EGMR widersprach die den Zeugen Jehovas abverlangte Wartefrist zur Verleihung des Status als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft der EMRK, weil sie insgesamt zu lang war. Eine Verletzung von Art. 14 StGG und Art. 9 EMRK liegt daher auch darin, dass ihr für eine Schenkung, die ihr zu einem Zeitpunkt gemacht wurde, in dem sie in Verletzung der aus der EMRK erfließenden Rechte noch nicht als Religionsgesellschaft anerkannt war, die Steuerbefreiung vorenthalten wurde (II.5).
VfGH Erkenntnis 5.10.2006, Slg. 17960, GZ G39/06, V26/06 - Keine Erwerbstätigkeit auf Friedhöfen
§ 5 Abs. 2 Z. 3 der Innsbrucker Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe verbietet das Verteilen von Druckschriften jeder Art auf Friedhöfen. Dies verstößt nicht gegen die Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art. 6 StGG, weil es durch das Interesse der Friedhofsbesucher an ungestörter Religionsausübung und Andacht gerechtfertigt ist (II.3.2.1). Damit schützt es Rechte anderer und erfüllt damit auch einen legitimen Zweck, der einen Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 2 EMRK rechtfertigt (III.3.2.2).
VfGH Erkenntnis 10.10.2003, Slg. 17021, GZ B1768/02 - Ausländer als Seelsorger
Nach § 1 Abs. 2 lit. d Ausländerbeschäftigungsgesetz ist die Beschäftigung von Ausländern als Seelsorgern im Rahmen von „gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften“ vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Diese Ausnahme bezieht sich jedoch nicht auf die „religiösen Bekenntnisgemeinschaften“ i.S.d. Bekenntnisgemeinschaftengesetzes (II.1). Das Beschäftigungsverhältnis eines Seelsorgers zu einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft fällt zwar in den Schutzbereich von Art. 9 EMRK, doch ist die arbeitsrechtliche Ordnung als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig zu beurteilen (II.2.1). Einer solchen Ordnung darf auch die dem Staat zugewandte Seite der Tätigkeit religiöser Vereinigungen unterworfen werden. Dem Gesetzgeber steht in der Frage, wie weit er dies tut, ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu (II.2.2). Wenn der Gesetzgeber eine Ausnahme nur für die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, nicht aber für die religiösen Bekenntnisgemeinschaften vorsieht, so verletzt er das Gleichheitsprinzip nicht, da diese Unterscheidung durch Art. 15 StGG verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Mit der Anerkennung erlangt die Kirche oder Religionsgesellschaft die Stellung, die es ihr erlaubt, an der Gestaltung des staatlichen öffentlichen Lebens teilzunehmen. Dieser Status kann und muss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allen Kirchen und Religionsgesellschaften zuerkannt werden. Somit begegnet die Differenzierung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (II.2.3).
VfGH Erkenntnis 3.10.2003, Slg. 16998, GZ B1408/02 - Sachliche Differenzierung zwischen eingetragener Bekenntnisgemeinschaft und gesetzlich anerkannter Religionsgesellschaft
Nach § 24 Abs. 2 Personenstandsgesetz ist in das Ehebuch unter anderem die Zugehörigkeit der Verlobten zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft einzutragen. Nicht eingetragen wird hingegen die Zugehörigkeit zu einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft (II.1). Die Unterscheidung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften ist durch Art. 15 StGG verfassungsrechtlich vorgegeben. Dieser Status kann und muss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allen Kirchen und Religionsgesellschaften zuerkannt werden. Somit begegnet die Differenzierung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (II.2). Es besteht sehr wohl ein Sachzusammenhang zwischen der öffentlich-rechtlichen Stellung und der Eintragung in öffentliche Personenstandsbücher (II.2).
VfGH Erkenntnis 11.12.2001, Slg. 16395, GZ B1510/00 - Zweck eines Vereins kollidiert mit inneren Angelegenheiten einer Kirche
Es wäre rechtswidrig, einen Verein, der Zwecke verfolgt, die zu den inneren Angelegenheiten der Römisch-Katholischen Kirche nach Art. 15 StGG gehören, nicht zu untersagen. Die Römisch-Katholische Kirche nimmt die Schaffung derartiger Vereinigungen durch Aufstellung innerkirchlicher Normen (can. 215 und 298 ff. CIC) als ihre innere Angelegenheit in Anspruch. Die selbstständige Besorgung der inneren Angelegenheiten erfüllt einen legitimen Zweck nach Art. 11 Abs.2 EMRK und stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit dar, zumal. innerkirchliche Vereinigungen nach Art. II und XV § 2 des Konkordats auch staatliche Rechtspersönlichkeit erlangen können.
VfGH Erkenntnis 2.10.2001, Slg. 16297, GZ B2136/00 - Asylgrund Religionsfreiheit
Ein Asylwerber aus Nigeria behauptet, dort in seiner Religionsfreiheit verletzt worden zu sein, weil er als Christ gezwungen wurde, einer Sekte beizutreten, die Menschenopfer verlangt, und der Staat nichts zu seinem Schutz unternommen hat. Die österreichische Asylbehörde hat alle notwendigen Ermittlungen durchzuführen und auch die Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit zu prüfen (II.3).
VfGH Erkenntnis 14.3.2001, Slg. 16131, GZ B98/99 - Bestandsdauer als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft
Nach § 11 Abs. 1 Z. 1 Bekenntnisgemeinschaftengesetz muss eine Religionsgemeinschaft zuerst zehn Jahre lang als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft bestanden haben, bevor sie den Status einer anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft erlangen kann. Es genügt hingegen nicht, dass eine Religionsgemeinschaft faktisch schon über zehn Jahre in Österreich besteht, da der Sinn des Gesetzes darin liegt, sie über diesen Zeitraum als Rechtsperson mit den entsprechenden Pflichten zu beobachten (II.2).
VfGH Erkenntnis 3.3.2001, Slg. 16102, GZ B1713/98 u.a. - Bestandsdauer als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft
Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Z. 1 Bekenntnisgemeinschaftengesetz, die einen zehnjährigen Status als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft verlangt, bevor eine Religionsgemeinschaft als Kirche oder Religionsgesellschaft anerkannt werden kann, verstößt nicht gegen Art. 15 StGG (III.2.a). Der Zeitraum von zehn Jahren dient der Kultusbehörde dazu, beobachten zu können, ob die Gemeinschaft die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Bei einem bloß faktischen zehnjährigen Bestehen einer Gemeinschaft in Österreich kann dieser Zweck nicht erfüllt werden (III.2.a). Durch die Einführung des Bekenntnisgemeinschaftengesetzes verschlechtert sich zwar die Lage jener Gemeinschaften, die bereits um den Status als anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft angesucht haben, weil sie nun zusätzlich eine zehnjährige Beobachtungsphase über sich ergehen lassen müssen. Dem gegenüber bietet das Bekenntnisgemeinschaftengesetz jedoch die Vorteile, dass nun schon vor der Anerkennung Rechtspersönlichkeit als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft mit der damit verbundenen Autonomie erlangt werden kann, und dass die Voraussetzungen für die Anerkennung präziser gefasst und die Vorhersehbarkeit damit gesteigert wurde (III.2.b). Außerdem enthält § 11 Abs. 2 Bekenntnisgemeinschaftengesetz eine Übergangsbestimmung für Gemeinschaften, die den Antrag auf Anerkennung bereits gestellt haben, die nicht unverhältnismäßig ist (III.2.b).
VfGH Erkenntnis 13.12.2000, Slg. 16054, GZ B1613/99 - Versammlungsverbot auf Friedhöfen
Art. 9 EMRK untersagt dem Staat nicht bloß, selbst in die Religionsfreiheit einzugreifen, sondern verpflichtet ihn auch zum Schutz vor Störungen durch Dritte (II.2.3.1.2). An Festtagen, an denen Gläubige regelmäßig Friedhöfe besuchen, ist es zulässig, Versammlungen zu untersagen, die den Friedhofsbesuch stören können (II.2.3.3).
VfGH Erkenntnis 4.12.1999, Slg. 15680, GZ B1518/98, B1519/98 - Anzeigepflicht für Versammlungen
Die Pflicht, eine anzeigepflichtige Versammlung (hier: eine Gedenkfeier für Deserteure zu Allerheiligen) gemäß dem Versammlungsgesetz 1953 gehörig anzuzeigen, verletzt nicht die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (II.3.2).
VfGH Erkenntnis 11.10.1999, Slg. 15614, GZ 1487/98 - Religiöse Feier in Haftanstalt
§ 85 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz, wonach ein Strafgefangener aus Gründen der Sicherheit und Ordnung von religiösen Feiern in der Haftanstalt ausgeschlossen werden kann, verletzt nicht das Recht auf freie Religionsausübung (II.1.3).
Wenn die Leitung einer Haftanstalt einen Strafgefangenen von einer religiösen Weihnachtsfeier ausschließt, die nicht die eigentliche Weihnachtsmette, sondern eine zusätzliche Veranstaltung ist, zu der auch externe Gäste geladen sind, und diese durch den Ausschluss vor Störaktionen bewahren will, so stellt dies keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (II.1.4.1.4.).
VfGH Erkenntnis 6.10.1999, Slg. 15592, GZ B15/99 - Gefängnisseelsorge
Nach § 85 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz hat ein Strafgefangener Anspruch auf den Zuspruch durch einen Seelsorger „seines eigenen Bekenntnisses“. Hierfür darf keine formelle Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft verlangt werden, weil dies die Religionsfreiheit verletzen und damit eine verfassungswidrige Auslegung des Gesetzes darstellen würde (III.4). Vielmehr bedeutet die Klausel „seines eigenen Bekenntnisses“ die nach außen in Erscheinung tretende Deklaration innerer (Glaubens‑)Einstellungen und Werte (III.4). Die ernsthafte Einstellung des Strafgefangenen muss jedoch von der Religionsgemeinschaft anerkannt werden, insbesondere dadurch, dass sich ein Seelsorger bereit erklärt, dem Wunsch des Strafgefangenen nach seelsorglicher Betreuung entgegenzukommen (ebd.).
VfGH Erkenntnis 17.12.1998, Slg. 15394, GZ B3028/97 - Schächtung
Die Schächtung von Tieren fällt als ritueller Brauch unter die Religionsausübung und damit in den Schutzbereich der Religionsfreiheit (II.B.2.2). Dagegen spricht nicht, dass manche Richtungen im Islam eine vorherige Betäubung des Tieres zulassen, denn der Staates darf nicht einen Lehrenstreit entscheiden und die Religionsfreiheit nur einer Richtung gewähren (II.B.2.3.1). Für die Qualifizierung als Religionsausübung kommt es auch nicht darauf an, ob ein Brauch auf einer zwingenden religiösen Vorschrift beruht (II.B.2.3.2). Ein Schächtverbot kann nicht mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt werden, weil mit dieser nur Handlungen unvereinbar sind, die das Zusammenleben der Menschen im Staate empfindlich stören (II.B.2.6.2). Auf der in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Werteskala steht die Freiheit der Religionsausübung höher als der Tierschutz (II.B.2.7.1). Auch eine Rechtfertigung zum Schutz der guten Sitten ist nicht möglich, da der Tierschutz mit den guten Sitten in keinem Zusammenhang steht (II.B.2.8). Das in Frage stehende Vorarlberger Tierschutzgesetz sieht in § 11 Abs. 1 Satz 2 von einer vorausgehenden Betäubung ab, wenn sie nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die ist verfassungskonform so zu interpretieren, dass es den Anhängern des Islam und des jüdischen Glaubens ein Verzicht auf die Schächtung nicht zumutbar ist (II.B.4.1). Die Richtlinie 93/119/EG über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung gestattet es den Mitgliedstaaten zwar, strengere Regelungen zu erlassen, nicht jedoch, wenn die Berücksichtigung religiöser Riten in Rede steht (II.B.4.2).
VfGH Erkenntnis 10.10.1997, Slg. 14978, GZ B1021/06, B1454/96, B2256/96 - Wehrdienstverweigerung
Der Religionsfreiheit verpflichtet nicht, Waffendienstverweigerer anzuerkennen (II.5). Die Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung ist nicht unverhältnismäßig, weil die Möglichkeit zum Zivildienst besteht und die Verpflichtung zum Zivildienst keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechtssphäre darstellt (II.6).
VfGH Erkenntnis 27.9.1993, Slg. 13513, GZ B1122/92 - Art. 14 StGG schützt nur die individuelle Religionsfreiheit
Der Verein “S Y Austria, Verein für interkonfessionelle Meditation” behauptet eine Verletzung des Objektivitätsgebotes durch eine Fernsehberichterstattung. In seinem Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäß Art. 14 StGG kann der Verein schon deswegen nicht verletzt sein, weil dieses nur für physische, aber nicht für juristische Personen garantiert ist. Die Religionsfreiheit der Anhänger des Vereins blieb vollkommen unberührt. Die vorgebrachten Nachteile sind zu unsubstantiiert, als dass daraus ein Eingriff abgeleitet werden könnte (2.4.2).
VfGH Erkenntnis 12.12.1988, Slg. 11931, GZ B13/88, B150/88 - Anerkennung als Religionsgesellschaft durch Verordnung, Ablehnung durch Bescheid
Die Unterscheidung zwischen anerkannten und nichtanerkannten Religionsgesellschaften ist verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern durch Art. 15 StGG sogar geboten (II.2.a). Eine abgabenrechtliche Begünstigung an den Status als anerkannte Religionsgesellschaft zu knüpfen, ist nicht unsachlich, sondern geradezu selbstverständlich (II.2.b.aa). Wenn die Voraussetzungen vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die Anerkennung. Diese erfolgt in der Regel durch Verordnung, die Ablehnung der Anerkennung hat jedoch mit Bescheid zu erfolgen, den der Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof anfechten kann. Der Anspruch ist somit auch durchsetzbar (II.2.a.bb). Daher ist es legitim, dass einfache Gesetze unterschiedliche Rechtswirkungen an den Status als anerkannte Religionsgesellschaft knüpfen.
VfGH Erkenntnis 10.12.1987, Slg. 11574, GZ G146/87, G147/87 - Beschränkung auf hanefitischen Ritus verletzt Art. 15 StGG, der das Selbstverständnis des Islam schützt
Das Islamgesetz 1912 ist Bestandteil der geltenden Rechtsordnung (II.1.a). Die durch das Islamgesetz bewirkte gesetzliche Beschränkung der Anerkennung auf die Anhänger des Islam nach hanefitischem Ritus greift in die durch Art. 15 StGG verfassungsgesetzlich garantierte selbständige Verwaltung der “inneren Angelegenheiten” der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft des Islam ein (III.3). Die Beschränkung auf Angehörige des hanefitischen Ritus’ widerspricht sowohl dem Selbstverständnis des Islam als auch dem Islamgesetz selbst, weil beide von einer einheitlichen Religionsgemeinschaft ausgehen. Die „Worte „nach hanefitischem Ritus“ sind im Islamgesetz daher aufzuheben (III.3 ).
VfGH Erkenntnis 16.3.1987, Slg. 11300, GZ B933/86 - Innere Angelegenheiten und dem Staat zukommende Angelegenheiten
Die Diözesen besitzen Rechtspersönlichkeit auch nach staatlichem Recht (II.1). Die von einer staatlichen Behörde für den staatlichen Bereich getroffene Feststellung über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche greift nicht in die nach Art. 15 StGG geschützten “inneren Angelegenheiten” dieser Kirche ein (II.2.a). Fragen des internen Rechts einer Kirche sind bei der bescheidmäßigen Feststellung der Religionszugehörigkeit nicht von Bedeutung, da der Bescheid für den innerkirchlichen Bereich keine Wirkung erlangt (ebd.). Es ist eine nach Art. 15 StGG dem Staat zukommende Angelegenheit, die Religionszugehörigkeit so weit zu regeln, als die staatliche Rechtsordnung daran Folgen knüpft (ebd.).
VfGH Erkenntnis 28.11.1986, Slg. 11105, GZ B460/86 - Waffendienstverweigerung
Art. 9 EMRK gewährleistet kein Recht auf Waffendienstverweigerung. Art. 14 StGG betrifft nur religiöse Fragen (2.5).
VfGH Erkenntnis 19.6.1986, Slg. 10915, GZ B714/83 - Keine Zuordnung von Gemeinden gegen den Willen einer Religionsgemeinschaft
Die Rechte des Art. 14 und Art. 15 StGG sowie des Art. 9 EMRK hängen nicht davon ab, dass die Gemeinschaft, in welcher der Glaube geübt wird, die Stellung einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft genießt. Eine Verweigerung dieser Stellung kann daher diese Rechte nicht verletzen (II.). Nach dem Orthodoxen-Gesetz hat die griechisch-orientalische Kirche in Österreich den Status einer gesetzlich anerkannten Kirche. Es steht den verschiedenen orientalischen Kirchen frei, im Rahmen dieser Kirche eigene Gemeinden zu gründen. Es wäre jedoch sachlich nicht gerechtfertigt und ein Eingriff in die inneren Angelegenheiten der griechisch-orientalischen Kirche, wenn ihr auch Kirchen oder Kirchengemeinden wie die beschwerdeführende “österreichisch-orthodoxe Kirche der Diözese von Westeuropa” zugerechnet würden, mit denen die ihr angehörenden Kirchen keine Gemeinschaft pflegen (II.2.a). Eine Gruppe, die sich als orientalisch oder orthodox bezeichnet, ohne Teil der anerkannten griechisch-orientalischen Kirche zu sein, kann jedoch selbst ihre Anerkennung nach allgemeinem Recht erwirken und so staatliche Rechtspersönlichkeit erlangen (II.1).
VfGH Erkenntnis 27.9.1985, Slg. 10547, GZ B643/82 - Religionsausübung während Anhaltung
Einem jüdischen Gläubigen wurde während der Anhaltung nach Festnahme die bestimmungsgemäße Benützung eines Gebetsriemens samt Gebetsschal verweigert. Dies verletzt ihn in seinem Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (2.1.2.3.4).
VfGH Erkenntnis 27.9.1984, Slg. 10154, GZ B770/83 - Wehrdienstverweigerung
Der Beschwerdeführer behauptet, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, weil sein Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht abgewiesen wurde. Er kann sich nicht auf das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 14 StGG stützen, weil dieses nur religiöse Fragen betrifft (2.2.2).
VfGH Erkenntnis 24.9.1984, Slg. 10138, GZ B569/80 - Radio für Strafhäftling
Die Verweigerung der Bewilligung eines eigenen Radios für einen Strafhäftling stellt keine Verletzung der Gewissens- und Glaubensfreiheit oder anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte dar (3.2.2).
VfGH Erkenntnis 2.3.1982, Slg. 9339, GZ B443/77 - Art. 14 StGG betrifft nur religiöse Fragen
Der Beschwerdeführer behauptet, dass dem Recht auf Gewissensfreiheit zufolge niemand gegen sein Gewissen zur Handhabung von Waffen und zum Töten gezwungen werden könne.
Er kann sich jedoch nicht auf das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 14 StGG stützen, weil dieses nur religiöse Fragen betrifft, der Beschwerdeführer solche aber nicht aufgeworfen hat (2.1.a).
VfGH Erkenntnis 25.6.1980, Slg. 8856, GZ B495/76 - Wehrdienstverweigerung
Dem Beschwerdeführer wurde die Befreiung von der Wehrpflicht versagt. Wenn er sich auf Art. 14 StGG beruft, geht dies fehl, weil er keine religiösen Gründe für eine Wehrpflichtbefreiung vorbrachte (II.2.a). Die Nichtbefreiung von der Verpflichtung zur Wehrdienstleistung stellt auch keine Verletzung von Art. 9 EMRK dar.
VfGH Erkenntnis 10.5.1980, Slg. 8811, GZ B 498/76 - Religiöse / nicht-religiöse Gründe zur Wehrdienstbefreiung
Antragsteller, die eine Wehrdienstbefreiung aus nicht religiös motivierten Gewissensgründen beantragen, werden gegenüber Antragstellern, die religiöse Gründe vorbringen nicht schlechter behandelt, da auch Antragsteller, die sich auf die Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Religionsgesellschaft berufen, diese Gewissensgründe glaubhaft machen müssen (II.2.b). Eine Verletzung von Art. 14 StGG liegt nicht vor, da der Beschwerdeführer keine religiösen Gründe vorbringt; Art. 9 EMRK gewährleistet kein Recht auf Waffendienstverweigerung (II.2.c).
VfGH Erkenntnis 17.3.1980, Slg. 8788, GZ B102/76 - Waffendienstverweigerung
Art. 9 EMRK gewährleistet kein Recht auf Waffendienstverweigerung. Art. 14 StGG ist nicht anwendbar, da der Beschwerdeführer keine religiösen Gründe für die Waffendienstverweigerung vorbringt (II.4.).
VfGH Erkenntnis 29.2.1980, Slg. 8749, GZ B362/76 - Wehrpflichtbefreiung
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Verletzung seines Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit durch die Verweigerung der Befreiung von der Wehrpflicht (II.2).